Es ist wohl kein Geheimnis mehr, dass sich Astrophysiker inzwischen ernsthaft darüber Gedanken machen, in der kosmischen Nachbarschaft – also Planeten bei anderen Sternen in unserer Milchstraße – anderes, außerirdisches Leben zu finden. Gemeint ist nicht etwa SETI, die Suche nach intelligenten Zivilisationen. Es würde schon genügen, in der Atmosphäre eines erdähnlichen Planeten Moleküle nachzuweisen, die keinen anderen Schluss zulassen, als dass dort ein chemischer Prozess, dem wir das Etikett "Leben" geben können, die Atmosphäre in einer Art Ungleichgewicht erhält und damit für uns ihre Existenz erkennbar macht. Mit der nächsten Generation an Observatorien, viele davon im Weltraum oder mit extrem präzisen Messinstrumenten am Boden ausgestattet, könnte es tatsächlich innerhalb der nächsten zehn Jahre gelingen, solche Beobachtungen zu machen. Die Charakterisierung von Exoplaneten-Atmosphären wird vor allem durch das James-Webb-Space-Telescope der Nasa und die Mission Ariel der Esa ermöglicht werden.

Die Science-Fiction von gestern ist die Wirklichkeit von heute. Der britische Physiker und Science-Fiction-Schriftsteller Arthur C. Clarke hat einmal sinngemäß gesagt, wie verrückt beide Vorstellungen sind: alleine im Universum zu sein und nicht alleine zu sein. Wir werden vielleicht bald die Chance haben, dies erstmals in der Geschichte der Menschheit herauszufinden.

Bisherige Weltraummissionen, welche die Exoplaneten-Forschung entscheidend vorangetrieben haben.
Foto: ESA

Wo sollen wir nachsehen?

Auch in unserem Sonnensystem gibt es noch ein paar interessante Orte, wo sich Leben außerhalb der Erde entwickelt haben könnte: die Ozeane unter den Eis-Monden von Jupiter und Saturn, die Wolken der Venus oder sogar tief im Marsboden, wo Fossilien von den ersten Gehversuchen des Lebens zu finden sein könnten.

Doch die vielversprechendste Möglichkeit der Menschheit, ihre nächste große Kränkung zuzufügen – die Erde ist nicht der Mittelpunkt des Universums, nicht einmal des Planetensystems, und wir stammen wirklich vom Affen ab – scheint ganz klar zu lauten: Finde einen Planeten, der ähnliche Parameter wie die Erde besitzt, eine Atmosphäre hat und dessen Bahn so geneigt ist, dass er seine eigene Sonne für uns immer wieder ein ganz klein wenig verdunkelt, und leite daraus ab, dass dort etwas lebt.

Gesteinsplaneten wie die Erde könnte es unzählige im Universum geben.
Foto: NASA/JPL-Caltech/R. Hurt (SSC-Caltech)

Atmosphären-Signaturen

Licht ist unser größter Freund im Universum, um die Beschaffenheit von Sternen, Planeten und Galaxien zu charakterisieren. Das Licht, das im Stern durch Fusion erzeugt und von dessen Oberfläche ausgestrahlt wird, durch die Atmosphäre eines Exoplaneten wandert und schließlich nach einer langen Reise in einem unserer Detektoren landet, erinnert sich an dessen Atmosphäre. Wir müssen nur das Licht in seine Wellenlängen aufschlüsseln, um den Fingerabdruck der Atmosphäre in ihrem Spektrum zu erkennen.

Wer aber nun glaubt, wir würden schon längst wissen, wonach genau wir in diesen Spektren suchen müssen und welche Umstände uns die besten Erfolgsaussichten bescheren, der muss enttäuscht werden. Allerdings sind alle herzlich eingeladen, diese Reise, auf der unser Wissen darüber ständig erweitert wird, aufmerksam zu verfolgen.

NASA Goddard

Stellare Explosionen

Folgende Voraussetzungen sollten gegeben sein: Die Temperatur auf dem Planeten sollte etwas über dem Gefrierpunkt und unter dem Siedepunkt des Wassers bleiben, das heißt der Planet befindet sich in der temperierten Zone, und die Dichte der Atmosphäre sollte auch mit der Erde grob vergleichbar sein. Hier kommen interessanterweise nun stellar-planetare Wechselwirkungen ins Spiel: Sterne liefern nicht nur eine große Menge Strahlungsenergie, sie stoßen auch Plasmawolken, Röntgenstrahlen und hochenergetische Teilchen aus.

Das System um den Stern TRAPPIST-1 besitzt sieben felsige Planeten, ist aber nur etwas größer als Jupiter mit den vier Galileiischen Monden. Weil der Stern im Vergleich zur Sonne nur fünf Prozent der Strahlung abgibt, befinden sich die Planeten d und e in der Zone flüssigen Wassers. Tatsächlich wurde bereits Wasser auf einigen dieser Planeten nachgewiesen. Doch der Stern produziert auch starke Strahlungsausbrüche, die der Entstehung von Leben abträglich sein könnten. Ob er auch Plasmawolken ausstößt, wissen wir noch nicht, weil die Messungen noch nicht präzise genug sind.

TRAPPIST-1 im Vergleich zu unserem Sonnensystem und den Jupiter-Monden.
Foto: NASA/JPL-Caltech

Heiße Jupiter

Wir haben bereits an unserem Institut zusammen mit einer Gruppe aus Russland festgestellt, dass sowohl die Plasmawolken als auch die Strahlungsausbrüche die Atmosphären von Heißen Jupitern (darunter versteht man sehr große Planeten, die sich sehr nahe an ihrem Stern befinden) mit der Zeit langsam in den Weltraum davontragen. Messungen der Nasa-Raumsonde MAVEN zeigen, dass der gleiche Prozess auch die Atmosphäre des Mars erodiert hat. Aufgrund seiner geringen Größe und Anziehungskraft und wohl auch weil er kein eigenes Magnetfeld besitzt, konnte er über Milliarden von Jahren keine dichte Atmosphäre vor dem Ansturm der solaren Ausbrüche festhalten.

Sterne helfen aktiv mit

Für die Bestimmung von Leben auf felsigen extrasolaren Planeten ist die Koexistenz von folgenden Stoffen ein wahrscheinlicher Indikator: Sauerstoff, sein durch ultraviolette Strahlung gebildetes Nebenprodukt Ozon sowie Stickstoff, Kohlendioxid und größere Mengen von Methan. Darüber hinaus würde die Beobachtung von Wasserdampf zum Resultat führen, dass der untersuchte Planet eine dichte Atmosphäre, Wasser und einen Mix aus Molekülen besitzt, die ohne Leben kaum miteinander länger zusammen in der Atmosphäre verbleiben würden. Aus physikalischen Gründen ist es jedoch nicht möglich, diese Signaturen im optischen Bereich des Lichts zu detektieren.

Eine Gruppe der Nasa um Vladimir Airapetian hat nun festgestellt, dass Moleküle wie Stickstoff in Verbindung mit einem Sauerstoff-Molekül (NO), in denen der zur Detektion von Leben wichtige Sauerstoff gebunden ist, im Infrarot-Bereich sehr gute Eigenschaften für eine einfachere Messung haben. Diesen Bereich des Spektrums wird das zukünftige James-Webb-Weltraumteleskop beobachten, das wegen seine überlangen Bauzeit inzwischen scherzhaft auch als das "Just Wait Space Telescope" bezeichnet wird. Das Außergewöhnliche daran ist, dass stellare Strahlungsausbrüche durch diese Moleküle in der oberen Atmosphäre absorbiert werden, wodurch sich die NO-Moleküle kurzfristig stark aufheizen und so im Spektrum viel leichter sichtbar werden. Dieser Prozess wurde während solarer Ausbrüche auch in der Erdatmosphäre nachgewiesen.

European Space Agency, ESA

Magnetische Wolken

Diese Methode hat aber nicht nur Vorteile. Zwar möchten wir, dass der Stern genügend starke Strahlungsausbrüche produziert, damit die Atmosphäre des Planeten im Infrarot leichter ihre Zusammensetzung preisgibt. Die Eruptionen dürfen allerdings nicht so stark sein und so oft auftreten, dass diese Wesen womöglich durch die zu hohe Strahlung keine Chance hatten zu entstehen. Dann würde die begehrte Atmosphären-Signatur ja nicht auftreten! Bei der Erde passt dieses Verhältnis zwischen der Stärke der solaren Ausbrüche und der Dichte der Atmosphäre natürlich sehr gut, wie so vieles andere, das uns ermöglicht, zu existieren und uns darüber Gedanken zu machen. Vor allem unsere Atmosphäre schützt uns wie ein dicker Polster vor fast allen Teilchen und Strahlungen aus dem Universum – wie eben auch vor den Strahlungsausbrüchen der Sonne.

Bleibt noch die Rolle der von Sternen ausgestoßenen magnetisierten Plasmawolken, bei denen völlig ungeklärt ist, ob und wie sie bei der Detektion von Leben helfen könnten. Wir haben kürzlich an unserem Institut in einer noch unveröffentlichten Studie festgestellt, dass die Stärke der magnetischen Stürme auf der Erde, bei denen Nordlichter entstehen und die durch die Plasmawolken bei Sonnenstürmen verursacht werden, sehr stark zunimmt, wenn die Erde ein wenig näher an der Sonne platziert wäre. Daher könnte auch diese Art von Wechselwirkung des Sterns mit dem Planeten eine Rolle in der Detektion von Leben spielen, wenn dadurch vielleicht auch die Atmosphärenchemie genügend beeinflusst wird.

Ein stellarer Strahlungsausbruch trägt Teile einer Planetenatmosphäre in den Weltraum.
Foto: NASA/SVS

Die große Debatte

Vorhersagen sind in der Wissenschaft eine der besten Möglichkeiten, um in ein Fettnäpfchen zu treten. Trotzdem wage ich, Folgendes zu behaupten: Die allererste Detektion von außerirdischem Leben wird mittels der Atmosphären-Signatur eines Exoplaneten gemacht werden, vielleicht in zehn oder erst in 100 Jahren, oder, wenn wir tatsächlich kosmisch isoliert sein sollten, auch nie. Aber wenn es passiert, wird diese Detektion wohl kaum eindeutig sein. Eine jahrelange Debatte über die biologischen Signaturen in Planetenatmosphären und ob wir sie nun wirklich in der Atmosphäre einer zweiten Erde entdeckt haben, könnte folgen. Diese Messungen werden sich am Rande dessen bewegen, was als Signal oder Rauschen interpretiert werden kann, und sie werden öfters wiederholt werden müssen. Dazu sollten wir etwas Geduld aufbringen, weil diese Planeten sich in der Zone flüssigen Wassers um den Stern befinden und daher auch wie die Erde in der Größenordnung von etwa einem Jahr für einen Umlauf, und damit eine neue Messung, benötigen. Wir müssen auch noch viel mehr darüber herausfinden, wie die Atmosphären felsiger Planeten entstehen und wie sie sich im Laufe der Zeit entwickeln, um sicher zu gehen, dass unsere Schlussfolgerungen richtig sind. Eine so folgenreiche wissenschaftliche Entdeckung wie jene, dass wir nicht alleine sind, wird nicht einfach so hingenommen, sondern bis ins kleinste Detail angefochten werden. Das ist Wissenschaft!

Bis Reisebüros irgendwann Exoplaneten als Destination anbieten, wird wohl noch sehr viel Zeit vergehen. Achten Sie durchaus einmal auf die unterschiedlichen Charakteristika von erdähnlichen Exoplaneten in Filmen wie "Interstellar", "Star Wars" und "Alien". Leben in einem Doppelstern-System mit einem zweifachen Sonnenuntergang ist durch die zu erwartenden Temperaturschwankungen eher unwahrscheinlich, auch wenn Luke Skywalker in "Star Wars" auf so einem Planeten seine Jugend verbringt.

Wie Luke Skywalkers Planet Tatooine in "Star Wars", umkreist auch Kepler-16b zwei Sterne.
Foto: NASA/JPL

Was ist Leben?

Es bleibt das grundlegende Problem der Definition von Leben. Wir können basierend auf dem, was wir selbst über das Leben wissen, danach suchen. Ich persönlich halte das für keine besonders große Einschränkung. Schließlich müssen Lebewesen im Austausch mit ihrer Umgebung stehen. Die Gesetze der Thermodynamik gelten überall in unserer Galaxie und dass Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff die Hauptrollen in ihrer Chemie spielen, da sind wir uns sehr sicher. Die anderen – die ich bewusst nicht Aliens, E.T., Chewbacca oder Borg genannt habe, um einen größeren Interpretationsspielraum in Ihrem Kopf zuzulassen – kochen schließlich auch nur mit Wasserstoff und Sauerstoff. (Christian Möstl, 11.9.2018)

Christian Möstl studierte Physik mit Schwerpunkt Astrophysik an der Karl-Franzens-Universität Graz und ist als wissenschaftlicher Projektleiter am Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätig. Er forschte unter anderem an der University of California in Berkeley und wurde 2016 mit dem Arne Richter Preis der Europäischen Geophysikalischen Union ausgezeichnet. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Beobachtung und Modellierung von Sonnenstürmen und der Echtzeit-Vorhersage des Weltraumwetters. Auf seinem in Englisch geführten Twitter-Account @chrisoutofspace veröffentlicht er unter anderem Prognosen, wann Nordlichter auftreten können.

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