Im Sommer führte mich meine Recherchereise ins tiefe Kärnten. Thema: Farben und Archäometrie. Genauer: Welche Rohstoffe kamen woher (Archäometrie-Part), um dann für die Herstellung von Pigmenten verwendet zu werden (Farb-Part)? Noch genauer: Es sollten Farben von Wandmalereien aus der römischen Provinz Norikum untersucht werden. Hier soll also das Woher mit dem Woraus und Wie hergestellt einhergehen, um so Handelskontakte, Produktionstechnik, -organisation und Verwendung zu untersuchen. Die Geochemie kann hier der Archäometrie und Archäologie helfen, um einige dieser Fragen zu beantworten, dazu aber später.

Zuerst – warum Farben? Weil Menschen früh farbige Abbildungen ihrer Umgebung und ihres Lebens machten oder Gebrauchsmaterialien und Gegenstände färbten und uns somit sehr bunte Zeugnisse ihrer Zeit hinterließen – also spannende Hinweise auf die jeweilige Ressourcenerschließung, auf Handelskontakte, Möglichkeiten und Vorlieben für bestimmte Farben oder Muster, die es zu ebendieser Zeit gab und die Menschen kommunizieren wollten. Man denke zum Beispiel an paläolithischen Höhlenmalereien, an bemalte Töpfe und farbige Glasgefäße, an gefärbte Textilien (gut erhalten etwa aus Hallstatt), bunte bronzezeitliche Glasperlen oder ägyptische, etruskische, römische Wandmalereien. Diese archäologischen Farbspuren zeigen uns somit, dass Farbpigmente von Menschen schon früh und gerne verwendet wurden. Außerdem gibt deren chemische Zusammensetzung Hinweise darauf, ob lokale oder importierte Rohstoffe verwendet wurden. Das Woher, das Woraus und die Frage, wie diese Farben hergestellt wurden, kann somit einen "roten Faden" von Ressourcen zu Handelsverbindungen ziehen, zwischen kulturellem Austausch und technologischen Entwicklungen.

Pigmentfunde vom Magdalensberg: Die Schale rechts unten beinhaltet ein paar Ägyptischblaukugeln; zerrieben, etwas verflüssigt, und fertig ist eine leuchtend blaue Farbe.
Foto: Alexandra S. Rodler

Römische Farbspuren

Warum Römer? Weil sie geografisch weitreichende und vielfältige Handelsaktivitäten und somit Zugang zu wichtigen Ressourcen als auch ein umfangreiches Wissen zur Herstellung von Farbpigmenten hatten. Zum Beispiel kommen die frühesten Funde (etwa 2900 v. Chr.) des ersten synthetischen Pigments, nämlich Ägyptischblau, aus Ägypten (daher ja der Name), wo auch wichtige Produktionsstandorte nachgewiesen wurden (etwa in Alexandria, auch Memphis und Theben). Spätere "Massenproduktion" und Ausgangspunkt für weitreichenden Handel von Ägyptischblau war dann in der Bucht von Neapel – soweit das auch von dem antiken Architekten Vitruv (circa 1. Jh. v. Chr.) und dem Historiker Plinius (d. Ältere, 1. Jh. n. Chr.) beschrieben wurde. Jedenfalls wird vermutet, dass dieses einst wichtige Farbpigment beziehungsweise das Wissen dazu, womit und wie es denn produziert wird, mit den Römern verschwand – wann genau oder warum, ist jedoch noch nicht klar.

Somit zum letzten Punkt – warum Norikum? Weil die Römer in ihrer Zeit in der Provinz Norikum (Römische Kaiserzeit bis Spätantike, circa 15 v. Chr. bis 6. Jh. n. Chr.) viele, zum Teil noch gut erhaltene Wandmalereien fertigen ließen. Diese Wandmalereien und die dafür verwendeten Farben kamen somit wohl mit den Römern nach Norikum. Oder, falls lokale Rohstoffe verwendet wurden, wurde dann auch das Wissen zur Herstellung ebendieser Farben an die lokal ansässige Bevölkerung weitergegeben? Mit diesen Überlegungen ging dann meine Suche nach Farbspuren der Römer in Norikum los.

Rekonstruierte Wandmalereien im Repräsentationshaus, Magdalensberg.
Foto: Alexandra S. Rodler

Wandmalereien in Norikum

Es gibt etliche sehr gut erhaltene provinzialrömische Wandmalereien in Norikum. Viele davon sind leicht zugänglich, wie etwa die im Jahr 2000 freigelegten Wandmalereien von Lauriacum (Enns, Oberösterreich): Das Haus der Medusa, aufbereitet vom Bundesdenkmalamt, war bereits im Kunsthistorischen Museum Wien zu sehen und ist nun im Museum Lauriacum für die diesjährige oberösterreichische Landesausstellung. Weitere provinzialrömische Wandmalereien können zum Beispiel im Museum Saalfelden, dem Salzburg-Museum, dem Hallstatt-Museum, dem Römermuseum Teurnia oder dem Kärntner Landesmuseum besichtigt werden.

Ausgrabungen bei Celje (Slowenien) haben vor kurzem auch römische Wandmalereien aus Binnen-Norikum freigelegt. Die provinzialrömische Farbpalette ist reich an Erdtönen wie Ockergelb oder -rot, an Grüntönen, Schwarz und Weiß, immer wieder sieht es auch nach Ägyptischblau und sogar etwas Zinnoberrot aus. Wiederkehrende Muster an verschiedenen Orten lassen uns damalige Trends vermuten (wie etwa das Medusamotiv von Lauriacum, Flora- und Lanzenornamente von Virunum und Teurnia).

Wandmalerei in mehreren Schichten, Magdalensberg.
Foto: Alexandra S. Rodler

Ausflug nach Kärnten

Am Magdalensberg war eine sehr wichtige Stadt der frühen römischen Kaiserzeit in Binnen-Norikum, die seit 1948 archäologisch erforscht wird und – unter anderem – etliche sehr gut erhaltene Wandmalereien beherbergt. Die Ausgrabungen machen auch die antike Stadt sehr gut sichtbar: Etliche Häuser geben einen Einblick in das Leben und Arbeiten am Magdalensberg mit öffentlichen Badeanlagen, verschiedenen Werkstätten und prunkvoll gestalteten Räumlichkeiten (also reich an Wandmalereien, in mehreren Schichten) als auch lokalen und exotischen Gütern, die einen sehr regen Handel dieser Stadt vermuten lassen. Außer der Gelegenheit für einen Rundgang am Gelände hatte ich hier auch die Möglichkeit, einen Blick in das farblich sehr vielseitige, äußerst gut sortierte und auch schon umfassend erforschte Depot der Wandmalereifragmente zu werfen.

Dachbodendepot im archäologischen Pilgermuseum Hemmaberg-Iuenna in Globasnitz.
Foto: Alexandra S. Rodler

Das archäologische Pilgermuseum Hemmaberg-Iuenna in Globasnitz liegt eine etwa 45-minütige Autofahrt östlich von Klagenfurt. Dieses Museum zeigt in sehr ästhetischen und museumspädagogisch wunderbar aufbereiteten Ausstellungsräumen die Vergangenheit dieser Gegend – von bronzezeitlichen Funden über Ausgrabungen der Spätantike bis hin zur frühchristlichen Zeit der Pilgerstätte Hemmaberg – und Fundstücke des nahe gelegenen ostgotischen Gräberfeldes. Im Dachgeschoß versteckten sich in etlichen Boxen allerlei spannende Fundstücke. So gab es für mich auch ein paar Boxen mit sehr schönen Wandmalereifragmenten mit vorwiegend Schwarz-, Gelb- und Rottönen zu sehen. Ob es sich hier um das teure Zinnoberrot oder doch Ocker- oder Bleirot handelt, wird sich erst nach genauerer chemischer Untersuchung zeigen.

Rekonstruktion provinzialrömischer Wandmalereien, Römermuseum Teurnia.
Foto: Alexandra S. Rodler

Von hier aus ging es über einen kurzen Umweg vorbei an den Ausgrabungen in und um die Kirche von Jaunstein weiter zum Römermuseum Teurnia – das liegt nahe dem Millstätter See und etwa eineinhalb Autostunden westlich von Globasnitz. Hier geben etliche Fundstücke Einblick in das gesellschaftliche Leben und die Geschichte dieses wichtigen Ortes (St. Peter in Holz, Lendorf bei Spittal/Drau), der vom Keltendorf zur Hauptstadt der römischen Provinz Binnen-Norikum im 5. und 6. Jh. n. Chr. wurde. Sehr beeindruckend ist auch das Mosaik der südlichen Seitenkapelle einer frühchristlichen Kirche, die außerhalb der Stadtmauer lag. Im ehemaligen Museum und Schutzbau dieser frühchristlichen Kirche befindet sich heute eine umfangreiche Sammlung an Wandmalereifragmenten. Zu sehen sind wieder sehr schön erhaltene und vielfarbige Fundstücke mit etlichen Motiven, wie sie schon zuvor zu sehen waren.

Wandmalereifragmente mit floralen Motiven, Römermuseum Teurnia.
Foto: Alexandra S. Rodler

Zuletzt: Herkunft

Auf dieser spannenden Reise nach Kärnten konnte ich etliche sehr schön erhaltene, vielfarbige provinzialrömische Wandmalereifragmente sehen. Diese geben optimale Voraussetzung, um die Herkunft und Verarbeitung von Rohstoffen zu Farben zu untersuchen. Um zu wissen, um welche Farbpigmente es sich handelt, also ob etwa Zinnober-, Blei- oder Ockerrot für Rottöne verwendet wurde, müssen chemische Untersuchungen gemacht werden. Um zu wissen, wo die Rohstoffe für diese Pigmente herkamen, müssen auch noch geochemische (genauer: isotopengeochemische) Untersuchungen folgen: Ein paar wenige Milligramm von sorgfältig ausgewählten Malschichten oder von Rückständen in Malereigefäßen werden ausreichen, um die Herkunft dieser Farben mittels Isotopengeochemie zu bestimmen.

Vor allem die relative Zusammensetzung der vier Bleiisotope ist hier hilfreich. Diese Zusammensetzung ändert sich nämlich mit der Zeit. Ist eine Lagerstätte geologisch gesehen älter, hat sie somit eine andere Bleiisotopen-Zusammensetzung als eine Jüngere. Das hilft sehr, um Farbpigmente mit erforschten Erzvorkommen in einem Ausschlussverfahren abzugleichen. So können etwa die schon früh genutzten großen Zinnober-Lagerstätten bei Almadén (Spanien) mit denen bei Idrija (Slowenien) oder den relativ kleinen Zinnobervorkommen in den Gurktaler Alpen verglichen werden. Die Herkunft dieser Rohstoffe kann einen interessanten Einblick in Ressourcenerschließung und Handelsnetzwerke geben. (Alexandra S. Rodler, 30.8.2018)