Die Provinz Idlib ist die letzte von vier Deeskaltionszonen mit einer starken Präsenz von syrischen Rebellen.

Genf – Der UN-Syrien-Gesandte Staffan de Mistura fordert angesichts der drohenden Offensive in Idlib die Einrichtung eines humanitären Korridors für die syrische Provinz. Er sei bereit, persönlich nach Idlib zu reisen, um die Einrichtung eines solchen temporären Korridors zu erreichen und der Bevölkerung die Ausreise in ein sichereres Gebiet zu ermöglichen, sagte de Mistura am Donnerstag.

Die syrische Regierung droht seit Wochen mit einer Offensive auf die letzte Rebellenbastion im Nordwesten. Derzeit laufen intensive Gespräche zwischen Russland, der Türkei und dem Iran, um eine Offensive zu vermeiden, die zu einer massiven Fluchtwelle in die Türkei führen könnte. Der iranische Außenminister Mohammad Jawad Zarif reiste zu diesem Zweck am Mittwoch nach Ankara, doch wurden keine Einzelheiten der Gespräche bekannt.

Fast zur Hälfte Vertriebene in Idlib

Laut de Mistura leben 2,9 Millionen Menschen in Idlib, davon 1,4 Millionen Vertriebene aus anderen Landesteilen. Der Uno-Gesandte schätzte die Zahl der Kämpfer des früheren Al-Kaida-Ablegers Al-Nusra in der Provinz auf 10.000 plus ihre Familien. Niemand bezweifle, dass es sich bei den Kämpfern um "Terroristen" handle, die besiegt werden müssten. Zugleich warnte er aber vor den Kosten einer Offensive für die Zivilbevölkerung.

Die Uno befürchtet im Fall einer Offensive der Regierungstruppen auf die Provinz, dass bis zu 800.000 Menschen in die Flucht getrieben werden. Auch der Kampf gegen Terroristen könne den Einsatz schwerer Waffen in dicht besiedelten Gebieten nicht rechtfertigen, sagte de Mistura. Die Uno hat bereits wiederholt vor einer "humanitären Katastrophe" gewarnt, sollten die syrischen Regierungstruppen eine Großoffensive auf Idlib starten. Da die Rebellen dort keine Ausweichmöglichkeit innerhalb Syriens haben, drohen in der letzten Rebellenbastion erbitterte Kämpfe.

Kneissl sieht Konflikt in Endphase

Nach Ansicht von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) ist der Syrien-Konflikt in der Endphase. "Kriege gehen, meiner Beobachtung nach, dann zu Ende, wenn alle erschöpft sind", sagte Kneissl am Donnerstag vor dem informellen Treffen der EU-Außenminister in Wien. Auch die "Sponsoren dieses Krieges sind müde" und haben kein Interesse, dass sich "dieser Krieg noch lange dahin zieht".

Auf die Frage, ob der syrische Präsident Bashar al-Assad und sein russischer Verbündeter Wladimir Putin den seit 2011 tobenden Krieg bereits gewonnen hätten, antwortete die Außenministerin: Dieser Krieg sei von Anfang an ein "Stellvertreterkrieg" mit vielen Akteuren gewesen, neben Russland hätten auch etwa Saudi-Arabien und die Türkei eine Rolle gespielt. Mittlerweile hätten auch die USA einen "pragmatischen Zugang" zu dem Thema gefunden, so Kneissl. "Gewisse Mantras, die wir jahrelang hatten, wie 'don't talk to Assad', sind dahin."

Die "nächste Phase" und Fragen, um die sich die EU-Außenminister beim informellen Treffen in Wien kümmern werden, seien, "wie umgehen mit dem Wiederaufbau, wie umgehen mit Reformen". Sie werde immer wieder aufs Tapet bringen, dass Europa nicht nur "zuschaut", sondern auch "mitgestaltet", so Kneissl. (APA, 30.8.2018)