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Vorgeschmack auf die Zeit nach dem Brexit: französische und britische Fischer auf Kollisionskurs im Ärmelkanal.

Foto: Reuters TV

Anders als bei der Seeschlacht von Trafalgar im Jahr 1805 griffen diesmal die Franzosen an. 35 Fischkutter, aus mehreren Normandiehäfen zusammengezogen, steuerten im Morgengrauen auf fünf britische Muschelkutter in der Seine-Bucht zu. Statt Kanonenkugeln feuerten sie Leuchtraketen ab. Nähergekommen warfen einzelne Fischer auch Steine und andere Objekte durch die Rauchschwaden.

Nun ging die kleine britische Armada in den Gegenangriff über: Mehrere ihrer Schiffe rammten französische Kutter, wie eine Kamera von France 3 festhielt.

"Sie haben Stahlboote, unsere sind aus Holz", beklagte der Kapitän der Rose des Vents (Windrose), Anthony Quesnel. Zum Glück flogen dann nicht die Enterhaken, sondern nur wüste Schimpfworte. Numerisch unterlegen zogen die Briten in die Dunkelheit ab. Bilanz: drei havarierte Bootsrümpfe, zerbrochene Scheiben und eine ganze Menge roter Köpfe.

Quesnel meinte ohne jedes Triumphgefühl: "Wie man so schön sagt, wir haben zwar eine Schlacht gewonnen, nicht aber den Krieg."

Das Seegefecht von Dienstag war nur der letzte Höhepunkt in einem erbitterten Streit zwischen britischen und französischen Muschelfischern. Seit Jahren beuten britische Kutter vor der Normandieküste die Bänke wertvoller Jakobsmuscheln aus. Die Franzosen sprechen von "Plünderung".

"Uns bleiben die Reste"

Aufgebracht sind sie vor allem, weil sie sich selbst an Auflagen halten, um die Nachhaltigkeit der Muschelbänke zu gewährleisten, und ihre schweren Netze zum Beispiel erst am 1. Oktober auf die Bänke hinunterlassen. Die Briten fischen dagegen mit kleinmaschigeren, teils eisernen Netzen, die auch Jungmuscheln fangen, und halten sich nicht an Termine. "Uns bleiben ab Oktober nur noch die Reste", sagt Quesnel.

Ein bilaterales Abkommen erlegt zwar beiden Seiten Einschränkungen auf, doch es ist noch durchlässiger als die französischen Netze. Die Briten dürfen sich mit Kuttern, die kürzer sind als 15 Meter, bis auf zwölf Meilen der französischen Küste nähern. Sie weigern sich, diese für sie sehr günstige Bestimmung neu auszuhandeln. Dank ihrer industriellen Ausbeutung haben sie ihr Fangvolumen in der Seine-Bucht seit zehn Jahren verfünffacht.

Die EU hat bisher keine Fangquoten für Jakobsmuscheln erlassen und überlässt die Regelung in diesem Bereich den nationalen Regierungen. Trotzdem ruft sie nun beide Seiten zu einer "gütlichen Einigung" auf. Die Sorge ist groß, dass es nicht bei der jüngsten Eskalation im Ärmelkanal bleiben wird.

Leergeräumte Muschelbänke

Die britischen Muschelfischer befürchten, nach einem harten Brexit, das heißt einem EU-Austritt ihres Landes ohne Abkommen mit Brüssel, ihren Broterwerb auf französischer Seite schon im März 2019 ganz zu verlieren. Der Chef des normannischen Fischereiverbandes, Dimitri Rogoff, verdächtigt sie deshalb, sie wollten die Muschelbänke zuvor noch ganz leeren.

Über die Auswirkungen des Brexits ärgern sich in Frankreich derzeit nicht nur die Fischer, sondern auch die Schiffsreeder. Vor einem Monat hat Brüssel für Gütertransporte von Irland auf den Kontinent neue Meeresrouten vorgeschlagen. Sie sollen den heutigen Landtransport durch das in Zukunft nicht mehr europäische Großbritannien ersetzen.

Allerdings kommen auf der Liste dieser Routen keine französischen Häfen wie Calais oder Dünkirchen vor, ganz im Unterschied zu belgischen und holländischen Häfen. Die französische Transportministerin Elisabeth Borne hat den Entwurf daher als "inakzeptabel" zurückgewiesen. Diverse Vertreter der nordfranzösischen Wirtschaft beklagen die "Missachtung" durch die EU.

Krisentreffen nächste Woche

Den meisten Unternehmen seien die negativen Auswirkungen des Brexits im Detail noch gar nicht klar, halten sie in einer gemeinsamen Stellungnahme fest. Muschelfischer Franck Enault sieht nach dem Clash der Kutter schon sehr klar: "Eines Tages wird das noch böse enden."

Der französische Landwirtschaftsminister Stephane Travert kündigte nun am Freitag nach einem Gespräch mit seinem britischen Kollegen George Eustice ein Krisentreffen mit Fischern und Händlern beider Seiten in der kommenden Woche an. (Stefan Brändle, red, 31.8.2018)