In der Causa BVT-Razzia sammelt sich nun die Kritik am Journalrichter, der die Hausdurchsuchung an dem Abend bewilligte.

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Journalrichter verüben eine Art Notdienst. Die heimischen Landesgerichte müssen 24 Stunden am Tag besetzt sein, nachts und an Wochenenden hat also zumindest einer der Strafrichter Bereitschaft. In der Regel entscheidet er über Fälle wie einen Einbruch bei Nacht und darüber, ob der vermeintliche Dieb von der Polizei festgehalten werden darf. Er erteilt die Zusage, dass die Exekutive Gegenstände beschlagnahmen kann. Manchmal bewilligt er Hausdurchsuchungen, wenn etwa an einem Samstagabend Gefahr in Verzug ist. "Aufsehenerregende Fälle gibt es an sich schon wenige, dass so einer dann ausgerechnet von einem Journalrichter bewilligt wird, kommt sehr selten vor", sagt Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, zum STANDARD.

Über die Hausdurchsuchung im heimischen Verfassungsschutz im Februar hat ein Richter im Abenddienst entschieden. Das Oberlandesgericht hat die daraufhin erfolgte Razzia inzwischen für großteils unzulässig erklärt. "Angelpunkt in dieser Causa ist der Journalrichter", sagt der Verfassungsjurist Heinz Mayer im Gespräch mit dem STANDARD. "Seine Genehmigung der Hausdurchsuchung war ein grober Fehler."

Mangelhafte Kontrolle

Der Rechtsexperte hält die Kontrolle der Exekutive durch Journalrichter aber auch an sich für "mangelhaft". "Mein Eindruck ist, dass sehr oft leichtfertig genehmigt wird", sagt Mayer. Richtervertreterin Matejka sieht zwar "keine Anhaltspunkte für disziplinarrechtliche Konsequenzen" in dem Fall ihres betroffenen Kollegen. Sie fordert aber, dass die Gerichte bei komplexer Aktenlage früher eingebunden werden sollten.Bis zu der im Jahr 2008 in Kraft getretenen Reform der Strafprozessordnung (StPO) unter Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) war das der Normalzustand.

Bis dahin leitete ein unabhängiger Untersuchungsrichter das Vorverfahren und ordnete Maßnahmen an. Seit 2008 ist die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft "Herrin des Verfahrens". Von ihr oder von der Polizei gewünschte Grundrechtseingriffe müssen vom "Haft- und Rechtsschutzrichter" genehmigt werden.Nun stellt sich auch die Frage, wie mit den Dokumenten um zugehen ist, die in der unzulässigen Hausdurchsuchung beschlagnahmt wurden.

Der Verfassungsjurist Mayer sagt: "Die Akten können von den Behörden trotz allem verwendet werden." Eine Ausnahme würde nur darstellen, wenn Dokumente "menschenrechtliche Belange" berühren würden – wenn durch sie also etwa die sexuelle Orientierung eines Betroffenen preisgegeben würde.

Zufallsfunde

Bei den aktuellen Ermittlungen gegen hochrangige BVT-Mitarbeiter spielen sowohl durch die nun unzulässige Hausdurchsuchung erlangte Beweise als auch "Zufallsfunde" eine Rolle. So bezeichnet man Beweisinformationen, die nichts mit dem Grund der Hausdurchsuchung zu tun haben, sondern zu Ermittlungen wegen anderer Straftaten führen.Bei einem der Betroffenen entdeckte die Korruptionsstaatsanwaltschaft etwa Kinderpornografie – doch hier stellte sich heraus, dass diese im Zuge der beruflichen Tätigkeit gespeichert war. In der Wohnung eines Abteilungsleiters, der zu Hause arbeitete, um auf seine kranken Kinder aufpassen zu können, fanden Ermittler Akten. Die Mitnahme dieser Dokumente war verboten, es folgte eine Entlassung.

Verbotene Früchte

"In Österreich fehlt ein rechtsstaatlich tragbares Beweisverwertungsverbot", sagt Otto Dietrich, Anwalt des Beschuldigten. Die Strafverfolgungsbehörden seien laut Dietrich "mitunter bereit, den Baum der Erkenntnis geradezu mutwillig zu vergiften, weil sie wissen, dass sie seine Früchte trotzdem ernten können".

Die Regierung möchte das ändern: Im Regierungsprogramm ist zu lesen, dass ein "absolutes Beweisverwertungsverbot bei rechtskräftig festgestellter Rechtswidrigkeit einer Ermittlungsmaßnahme" kommen soll. Problematische Fälle sind etwa abgehörte Telefongespräche, bei denen sich ein Unbeteiligter belastet. Aber auch durch Folter erlangte Geständnisse fallen in diesen Themenbereich. In den USA gelten äußerst strenge Beweisverbote, was regelmäßig zu aufsehener regenden Freisprüchen führt. (fsc, mika, moe, 30.8.2018)