Katerstimmung an der Börse in Buenos Aires. Der Kursverfall des Peso, hohe Inflation und Zukunftssorgen drücken die Stimmung im Land.

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Am südlichen Zipfel Lateinamerikas geht die Angst vor einer Wiederkehr der "Tango-Krise" um, die Argentinien 2001 in die Staatspleite geführt und breite Schichten der Bevölkerung ins Elend gestürzt hat. Investoren scheinen das Vertrauen in die Regierung verloren zu haben – wieder einmal.

Verschärft wird die Lage durch die Vorgänge in der Türkei, wo die Nummer zwei der Zentralbank, Erkan Kilimci, vor dem Rücktritt steht. Hintergrund soll ein Streit um die ausbleibende Leitzinserhöhung sein. Das hat den Verfall der Lira beschleunigt. Am Donnerstag kostete ein Euro kurzzeitig sieben Lira. Investoren sind besorgt, dass hochverschuldete Schwellenländer ihre in Dollar aufgenommenen Schulden nicht mehr bezahlen könnten.

Argentiniens Präsident Mauricio Macri hat den Internationalen Währungsfonds (IWF) jedenfalls gebeten, bereits vereinbarte Hilfen frühzeitig auszuzahlen. Ein "Vertrauensmangel in die Märkte" habe ihn zu diesem Schritt bewogen, sagte Macri.

Leitzinsen auf 60 Prozent erhöht

Argentiniens Zentralbank hat unterdessen die Leitzinsen kräftig angehoben. Der Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld wurde von 45 auf 60 Prozent erhöht. Um den Peso zu stützen, hat die Zentralbank zuletzt auch Fremdwährungsreserven mobilisiert. Allein Dienstag und Mittwoch waren es 500 Millionen Dollar, die zur Stützung des Peso verkauft wurden. Dennoch gab der Wechselkurs nach der Rede von Macri um weitere 8,5 Prozent nach und sank auf ein historisches Tief von 39,82 Peso für einen Euro. Auch gegenüber dem Dollar markierte die Währung mit 34,50 Peso ein Rekordtief.

Die galoppierende Inflation und der steigende Unmut in der Bevölkerung über die schlechte wirtschaftliche Lage setzt Macri zu. Volkswirte der Deka-Bank Deutsche Girozentrale beziffern die Teuerung in einer überarbeiteten Schätzung 29 bis 30 Prozent. Erst 2019 könne der Preisauftrieb auf 18,5 Prozent sinken. Die Peso-Abwertung erschwert die Inflationsbekämpfung. Im bisherigen Jahresverlauf hat der Peso bereits mehr als 80 Prozent an Wert eingebüßt. Der Währungsfonds hat Bereitschaft signalisiert, Argentinien unter die Arme zu greifen. Sie habe ihre Mitarbeiter angewiesen, die zeitliche Staffelung des Finanzprogramms zu prüfen, teilte IWF-Chefin Cristine Lagarde mit. "Ich habe unsere Bereitschaft betont, die Regierung bei der Entwicklung ihrer überarbeiteten politischen Pläne zu unterstützen", sagte Lagarde nach einem Telefongespräch mit Macri.

Steigender Unmut

Nach einer starken Abwertung der Landeswährung hatte Argentinien mit dem IWF im Juni eine Finanzhilfe von bis zu 50 Milliarden Dollar vereinbart. Zu einer ersten Tranche von 15 Milliarden Dollar hatte das südamerikanische Land sofortigen Zugang erhalten. Der verbleibende Betrag sollte über die dreijährige Laufzeit zur Verfügung gestellt werden. Zuvor hatte Argentinien noch angedeutet, dass es den Rest nicht unbedingt nutzen würde.

Macri hat viele Subventionen eingeschränkt. Nächstes Jahr wird in Argentinien gewählt. Die Unzufriedenheit der meisten Bürger ist so groß, dass auch ein außerordentlicher, gewaltsamer Umsturz möglich wäre. Jeder dritte Argentinier hat nicht genügend Einkünfte, um sich und seiner Familie das Nötigste leisten zu können.

Argentinier sind "krisenerprobt" und schauen verbittert auf 2001 zurück. "Wir wurden damals zum Spielball internationaler Spekulanten. Andere haben gegen unsere Währung gewettet und damit Geld verdient", sagte ein frustrierter Angestellter im Staatsdienst. Die Hoffnung der breiten Masse schwindet, Präsident Macri könnte das heute verhindern. (Reuters, dpa, stro, mab, 30.8.2018)