Henning Mankell, "Der Sprengmeister" Deutsch: Verena Reichel, Annika Ernst. € 21,60 / 185 Seiten. Zsolnay-Verlag, Wien 2018

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Henning Mankells Debütroman Der Sprengmeister aus dem Jahr 1973 wurde erst jetzt ins Deutsche übersetzt. Ob das ein großes Versäumnis ist, muss jeder, der nur die Krimis von Mankell gelesen hat und daher falsche Erwartungen hegt, selbst beurteilen. Gleichwohl ist es ein aufschlussreicher Einblick in den Werdegang eines Bestsellerautors.

Was Mankell von Anfang an umgetrieben hat, ist soziale Ungerechtigkeit. Sein Buch handelt von einem einfachen Menschen, der bei einer missglückten Sprengung für einen Tunnelbau schwer verstümmelt wird. Dieser Oskar kehrt nach langem Krankenhausaufenthalt zu seiner Arbeit zurück. Seine Verlobte hat ihn inzwischen verlassen, Oskar heiratet deren Schwester. Die Zeiten sind nicht nur für Oskar hart, Schweden befindet sich in der Depression der Dreißigerjahre. Arme und Arbeitslose überall.

Kein Wunder, dass die Sozialdemokraten an Einfluss gewinnen. Oskar erscheinen ihre Ideen als logisch, geradezu unwiderlegbar. "Der Sozialismus ist nichts Besonderes. Und das bin ich auch nicht. Wir passen gut zusammen." Doch die Revolution bleibt aus. Oskar, der Gewalt ablehnt, verhält sich passiv. Er bleibt ein Erdulder, wird kein Rebell. "Oskar Johannsons Wirklichkeit ist der Kampf zwischen Kapitalismus und Sozialismus, zwischen Revolution und Reformismus. Dieser Kampf bestimmt Oskar Johannsons Leben."

Es ist ein spröder Text

Interessant ist die Position des weitgehend anonymen Erzählers, der Oskar 1968 zum letzten Mal besucht. Oskar empfindet sich ja selbst als nichts Besonderes. Entsprechend wortkarg gibt er auch Auskunft über seine Erlebnisse. Das ist keine chronologisch geordnete Erzählung; Oskar holt kleine Erinnerungssplitter hervor, es sind Splitter, die sich in ihrer Lakonie einprägen. E

inprägsam deshalb, weil sie ohne das Pathos auskommen, das spätere Romane stellenweise mühsam macht. Oskar spricht kaum über seine Gefühle, springt zwischen den Jahrzehnten hin und her und wiegelt intensiveres Nachfragen des Erzählers ab. So sitzt man im Sommer vor dem umgebauten Saunahäuschen irgendwo auf den Schären, wo der Erzähler, der versucht, das zu rekonstruieren, was Oskar nicht gesagt hat, mit dem versehrten Einsiedler Kaffee trinkt und aufs Meer schaut.

Es ist ein spröder Text, von dem Mankell im Nachwort aus dem Jahr 1997 schreibt, er sei sich darüber klar gewesen, dass er für diesen, seinen ersten Roman keine Absagen kassieren wollte, denn er konnte sich nichts anderes vorstellen, als Schriftsteller zu sein. Was die soziale Gerechtigkeit angeht, sah Mankell, "dass die Armen und Ausgebeuteten nur noch ärmer geworden" seien. "Was in diesem Buch steht, gilt auch weiterhin unverändert."

Als Mankell das schrieb, lebte er schon in Mosambik. (Ingeborg Sperl, Album, 8.9.2018)