Wenn kleine Kinder mit Süßigkeiten spielen, verstärkt das ihren Heißhunger nach Süßem, haben Psychologen der Uni Wien herausgefunden.

Foto: Getty Images/iStockphoto

"Bekomme ich ein Eis?", fragt das etwa siebenjährige Mädchen im Supermarkt. "Nein", antwortet die Mutter einsilbig. "Kaufst du mir Schokolade?" Die Antwort lautet erneut: "Nein." "Darf ich Kekse mitnehmen?" "Nein, zum letzten Mal!" Spätestens jetzt hängt der Haussegen schief. "Du bist die blödeste Mama der Welt", tönt es aus dem Mund der Tochter. Danach herrscht Funkstille, der Nachwuchs schmollt.

Es gibt wohl kaum ein Thema, das für Eltern so nervenaufreibend ist wie der Kampf um den Zucker. Allerdings machen es sich Mama und Papa auch oft unnötig schwer, wie mehrere Studien nahelegen. Denn Kinder sind beim Umgang mit Naschen lernfähig, wie Experimente gezeigt haben. Der zentrale Faktor dabei: auf Zeit setzen. "Wenn Kinder Süßigkeiten sehen, ist der erste Impuls, sie zu essen. Wird dieser Impuls unterdrückt und auf später verschoben, üben sich die Kinder in Selbstkontrolle", erklärt Arnd Florack vom Institut für Angewandte Psychologie der Uni Wien.

Am besten gelingt das spielerisch, denn Spielen heißt vor allem eines: Lernen. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde Schulkindern Süßigkeiten vorgesetzt. Sie durften jedoch nicht gegessen werden, sondern die Kinder sollten etwa mit Buchstabenkeksen Wörter schreiben. Nachdem sie diese Aufgaben gemeistert hatten, durften die jungen Probanden so viel naschen, wie sie wollten. Das gleiche Prozedere wiederholten die Forscher mit einer Kontrollgruppe. Diese Kinder spielten jedoch nicht mit Essen, sondern mit nicht-essbaren Buchstaben. Das Ergebnis: Die Kinder, die mit Süßigkeiten gespielt hatten, naschten danach signifikant weniger.

Appetit steigern

Arnd Florack und sein Forscherteam führten dieses Experiment nun mit Vier- bis Sechsjährigen durch. "Da die Fähigkeiten der Selbstregulation in jüngeren Lebensjahren noch weniger stark ausgeprägt sind, stellten wir uns die Frage, ob Spiele mit Essen auch einer jüngeren Zielgruppe helfen könnte, den Konsum von Süßigkeiten zu reduzieren", erklärt der Psychologe.

Konkret spielten die Kinder an einem Tag ein Memoryspiel mit Fruchtgummi, an einem anderen Tag das gleiche Spiel ohne Süßigkeiten. Danach durften sie für eine begrenzte Zeit so viele Kekse und Fruchtgummis essen, wie sie wollten. Es zeigte sich, dass es mit dem Verzicht durch das subtil angelegte Lernen in dieser Altersgruppe noch nicht klappt. Demnach naschten die kleinen Studienteilnehmer im Schnitt deutlich mehr, wenn die Süßigkeiten vorher spielerisch eingesetzt wurden. Ein weiteres Ergebnis: Je höher der Body-Mass-Index eines Kindes war, desto höher war auch der Konsum von Keksen und Fruchtgummis.

Einfache Tricks

Die Forscher schließen daraus, das solche Spiele in dieser Altersgruppe noch nicht den gewünschten Effekt haben. "Süßigkeiten zu verbieten ist aber nicht sinnvoll", sagt Florack, denn: "Je mehr darum gekämpft werden muss, desto größer wird auch das Verlangen. Statt auf Verbote zu setzen, können Eltern auch fixe Zeiten mit ihren Kindern vereinbaren, wann etwa ein Stück Schokolade genascht werden darf. So lernt der Nachwuchs, dass nicht jedes Verlangen sofort gestillt werden muss."

Weitere einfache Tricks, mit denen sich Zeit schinden lässt: gemeinsam mit den Kindern bunte Obstteller zubereiten. Auch das Stück Kuchen als Nachspeise sollte nicht sofort nach dem Hauptgang serviert werden. "Denn der Sättigungseffekt tritt erst nach ein paar Minuten ein. Wer mit dem süßen Nachschlag etwas wartet, nascht ebenfalls weniger", sagt Psychologe Florack.

Obwohl das einmalige Experiment bei den Vier- bis Sechsjährigen den gegenteiligen Effekt hatte, räumt der Studienleiter ein, dass ein Lerneffekt nicht auszuschließen sei. Möglicherweise brauchen Kleinkinder länger, ihre Selbstkontrolle zu trainieren. Um das herauszufinden, müssten die Experimente über einen längeren Zeitraum wiederholt werden. (Günther Brandstetter, 1.8.2018)