Die Franzosen haben anscheinend ein Faible für das Jonglieren mit Automarkennamen. Citroën und Peugeot haben das ja mit der DS schon vorgemacht. Da wurden herausgeputzte Zitronen und Löwen dann einfach DS genannt, um zu unterstreichen, dass sie etwas ganz Besonderes sind wie eben seinerzeit die DS, die Göttin. Aber eigentlich sorgt das eher für Verwirrung, und von neuer Legendenbildung sind wir aber so was von meilenweit entfernt.

Legendenbildung, die gelingt Renault mit der Alpine schon.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Jetzt macht Renault etwas Ähnliches und erinnert sich an die französische Sportwagenmarke Alpine und deren Übernahme in den 1970er-Jahren.

Das Logo ist jetzt echt kein Rhombus.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Es kennen halt heute fast nur noch jene Leute die erste Alpine, die damals schon schwer auf Autos abfuhren oder die heute bei alten Sportwagen schwach werden. Darum sagt der Name den meisten nichts mehr, was zu wunderbaren Begegnungen führt. Denn der Wagen fällt auf. Man hört die Alpine von weitem, noch bevor sie angeschossen kommt, diese blaue Flunder. Sie erzeugt vor allem Neugier, aber keinen Neid.

Die erste Serie wird nur in begrenzter Stückzahl hergestellt.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Man muss also oft und lange in der Automobilgeschichte kramen, wenn jemand wissen will, was das für ein Auto ist und warum dann nicht Renault draufsteht, wenn es doch einer ist.

Typisch untypisch

Für einen Renault ist die Alpine tatsächlich untypisch. Obwohl die Marke immer wieder versucht hat, mit argen Konzepten aufzufallen: Vel Satis, Avantime, R4 ... Die Alpine ist ein in weiten Teilen kompromissloser Sportwagen. Da haben die Ingenieure eiskalt auf ein Handschuhfach verzichtet und zwei Kofferräume verbaut, die es mit Koffern gar nicht aufnehmen wollen. Der vordere fasst 96 Liter, der hintere 100.

Eigenständiges Design im Sinne des Originals.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Wenn jetzt vorn fast kein Kofferraum ist und hinten auch nicht – wo dann der Motor sei, fragt da mancher: in der Mitte, gleich hinter den Sitzen. Mittelmotor. 252 PS, 1.798 Kubikzentimeter, vier Zylinder, Turbo, und über ein 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe schickt er seine 320 Newtonmeter Drehmoment an die Hinterräder. Das klingt jetzt nicht nach dem ultimativen, kompromisslosen Sportwagen, ja, schon richtig.

Die Alpine auf Kopfsteinpflaster zu fahren ist gar keine so blöde Idee. Die kann das nämlich.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Ein im Vergleich dazu fast bieder aussehender M5 mit vier Sitzplätzen und ordentlich Kofferraum hat 600 PS. Aber die Alpine wiegt wegen des Leichtbaukonzepts als Nackte nur 1.103 Kilogramm. Jeder 600-PS-Hobel ist doppelt so schwer. Und das macht vor allem in Sachen Dynamik unendlich viel aus. Spannender zu fahren ist sicher die leichte Alpine.

Mit viel Liebe zu den Details ging Renault an die Alpine heran.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

In 4,5 Sekunden sprintet die Alpine aus dem Stand auf Tempo 100. Sind dabei die Auspuffklappen offen, macht der 1,8 Liter große Vierzylinder einen Lärm, dass das Adrenalin aus den Ohren zu schießen droht. Nein, sie ist nicht prollig, nicht laut, sie klingt gut, nervt nicht.

Sie dröhnt schon ordentlich, wenn die Klappen offen sind, aber die muss man ja nicht aufmachen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Sicher genervt sind ältere oder fülligere Menschen. Die hat Renault als Kunden für die ehrlichste Alpine genauso ausgeschlossen wie jene, die ihr Reisegepäck nicht am Beifahrersitz spazieren führen wollen. In der Pure-Ausstattung verbaut Renault nämlich schmale Schalensitze von Sabelt, deren Lehne man nicht verstellen kann. Wünscht man, etwas anders zu sitzen, greift man zum Werkzeug und montiert den Sitz um. Kompromisslos eben. Wie auch die Tatsache, dass man ab einer bestimmten Körperfülle erst gar nicht mehr in den Sitz kommt. Dafür wiegt dieser kaum mehr als 13 Kilogramm. Alternativ kann man zu Komfortsitzen greifen. Die sind eh auch sportlich, aber halt am Ende doch ein bisserl das Weichgestreichelte.

Die Sitze lassen sich nur mit Schraubenschlüssel oder Hammer verstellen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Innen ist der Wagen auch sonst ein echter Sportler. Alles, was wichtig ist, liegt gut in der Hand, Schnickschnack ist bis auf das der Zeit geschuldete Display nicht vorhanden. Dafür gibt es Mikrofaser, Karbon und Leder. Und so macht mit diesem nicht einmal 4,2 Meter langen Sportler jede Fahrt Spaß. Es muss nicht immer das Bergstraßerl sein, es tut auch die Autobahn zur Stoßzeit. Die Alpine ist sich selbst Aufregung genug, da muss man nicht dauernd bei 250 km/h in den Begrenzer fahren.

Schaltkulisse und Startknopf. Wie bei Konzernbruder Dacia liegen die Fensterheber in der Mittelkonsole.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Natürlich ist man meist zu schnell unterwegs, vor allem wenn man den Wagen nur kurz zum Testen hat. Dennoch kamen wir auf einen Verbrauch von unter neun Litern. Erstaunlich bei dem, was der Wagen mitgemacht hat.

Bei 250 km/h regelt die Alpine automatisch ab.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Wir indes haben nicht wirklich was mitgemacht. Die Qualen, die uns andere Sportwagen mit ihren knochentrockenen und harten Fahrwerken erleben lassen, ersparte uns die Alpine. Das Setting des Fahrwerks kann nicht verheimlichen, dass es von Renault kommt. Es ist eindeutig auf der weichen Seite, aber nicht, dass Sie jetzt glauben, zu weich. Das Setup ist sogar genau richtig, um zu spüren, was der Wagen macht.

Das überraschend weiche Fahrwerk gibt viel Feedback und erlaubt schnelle Runden.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

An noch einer Stelle verrät die Alpine ansatzlos, dass sie ein Renault ist – beim Preis nämlich. Der ist alles andere als abgehoben. Ab 62.600 Euro bekommt man die Alpine, die in der Liga eines Alfa Romeo 4C oder Porsche Cayman spielt. (Guido Gluschitsch, 6.9.2018)

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