Der Löffel trägt sieben Stück Würfelzucker. Noch zwei mehr enthält ein klassisches Fruchtjoghurt aus dem Supermarkt.

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Günther Brandstetter beschäftigt sich beruflich mit Gesundheit. Das färbt vielleicht auch schon auf seine Tochter ab.

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Meine vierjährige Tochter ist in Ernährungsfragen etwas eigen. Sie mag zwar Süßigkeiten, wenn es nichts zu naschen gibt, ist das aber auch kein Problem. Meistens zumindest. So stapeln sich im Küchenschrank die Schoko-Nikoläuse und -Osterhasen der vergangenen Jahre, die meisten haben ihr Mindesthaltbarkeitsdatum schon längst überschritten.

Wenn meine Tochter wollte, könnte sie ohne Probleme auf die Arbeitsplatte in der Küche klettern, die Schranktür öffnen, sich ein Stück von der Nikolausmütze oder dem Hasenohr abbrechen und in den Mund schieben. Nur tut sie das nicht. Vielleicht kommt sie deshalb nie auf diese Idee, weil Mama und Papa nur wenig Süßes essen – und wenn, dann meistens heimlich.

Cremige Zuckerbomben

Streit um Süßes gibt es nur im Sommer. Der Grund: Meine Tochter liebt Eis. Ginge es nach ihr, würde sie jeden Tag zum Frühstück schon das erste Stanitzel verdrücken. Ein "Nein" akzeptiert sie nur schweren Herzens, meist fließen auch Tränen. Ab und zu besänftigt Fruchtjoghurt ihr Gemüt. Der Blick auf die Nährwertangaben eines klassischen Marillenjoghurts (200 Milliliter) zeigte allerdings: Im "cremig-fruchtigen Genuss" sind rund neun Würfelzucker versteckt – also eine noch schlechtere Alternative.

Vor etwa sechs Wochen wurde uns die Jammerei zu viel. "Ab jetzt ist jeder zweite Tag zuckerfrei", sagten wir zu ihr. Zu unserer Verwunderung war die Antwort der Vierjährigen: "Ja, das machen wir. Dafür gibt es an den anderen Tagen ein Eis." "Gut, ein Eis, aber nicht mehr. Früchte darfst du auch essen", schoben wir noch rasch hinterher. Unser Pakt war besiegelt.

Schnitzel mit ohne Ketchup

Wir wunderten uns. An den zuckerfreien Tag gab es nie ein Bitten, Betteln, Bitzeln und Kämpfen um Gefrorenes. An den anderen Tagen schleckte sie genüsslich an ihrer Zuckerration. Manchmal vergaß sie auch darauf, danach zu fragen. Dann fiel sie eben aus, auch gut.

Kürzlich gab es zum Abendessen Schnitzerl mit Reis und Salat, eine der Lieblingsspeisen meiner Tochter. Gedankenlos löffelte ich ihr eine kleine Portion Ketchup auf den Teller. Sie blickte mich entrüstet an und rief: "Du kannst mir doch kein Ketchup geben! Da ist doch Zucker drinnen, und heute ist zuckerfreier Tag." Schnitzel und Beilagen aß sie auf, das Ketchup blieb unberührt auf dem Teller zurück. Schließlich habe ich mein Fleisch darin eingetunkt. Manchmal wünsche ich mir, ich wäre auch so konsequent wie mein Kind. (Günther Brandstetter, 2.9.2018)