Teamchef Franco Foda hat ein halbes Dutzend Länderspiele hinter sich. Am 11. September steigt in Zenica die erste Partie um Punkte.

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STANDARD: Sie hatten jetzt rund drei Monate Pause. Vergisst man da manchmal, österreichischer Teamchef zu sein?

Foda: Nein, solche Momente gab es nicht. Ich hatte nur drei Tage Urlaub mit der Familie. Wir waren voll im Einsatz, immer unterwegs, haben in der Vorbereitungsphase Mannschaften aus Deutschland besucht, Hertha und Hoffenheim. Wir waren bei österreichischen Vereinen, Hartberg, WAC, Sturm, Austria und Rapid. Alle sind sich gar nicht ausgegangen. Dann gab es die WM, es war viel zu tun, ich konnte gar nicht vergessen, Teamchef zu sein. Ich bin einer, der detailversessen ist, der versucht, alles perfekt vorzubereiten.

STANDARD: Das letzte Spiel war das 0:3 gegen Brasilien, für Sie die erste Niederlage nach fünf Siegen. War diese Watschen vielleicht sogar wichtig, damit die Bäume nicht in den Himmel wachsen? Schließlich leben wir in Österreich.

Foda: Ich denke nicht in diesen Kategorien. Ich habe mich geärgert, dass wir verloren haben. Weil wir an diesem Tag nicht an unserer Leistungsgrenze waren. Es hatte natürlich Gründe, die muss man als Teamchef berücksichtigen, wir hatten davor zwei Partien, haben das Highlight gegen Deutschland 2:1 gewonnen. Danach hatten die Spieler drei Tage Urlaub. Normalerweise würde ich das nie machen, weil die Spannung verlorengeht. Aber ich musste so handeln, der Lehrgang war lange, die Saison vorbei, sie mussten sich erholen. Ich ärgere mich über jede Niederlage, egal gegen wen.

STANDARD: Wenn Sie die ersten sechs Spiele Revue passieren lassen, was hat geklappt, was nicht?

Foda: Vieles von dem, was ich mir vorstelle, wurde umgesetzt. Die Mannschaft hat immer versucht, zu agieren, aktiv zu sein, im Ballbesitz und auch im Spiel gegen den Ball. Das Pressing gegen Deutschland in der zweiten Halbzeit war extrem aggressiv. Wir hatten generell eine gute Stabilität in der Defensive, waren sehr flexibel in der Offensive. Es gibt sehr viele Lichtblicke. Was besser werden muss? Wie haben immer zehn bis fünfzehn Minuten benötigt, bis wir im Spiel waren. Im Torabschluss ist Potenzial da. Aber die Richtung stimmt. Sie spielen mit Begeisterung und Leidenschaft Fußball.

STANDARD: Sie sind ein Verfechter von Bewerbspielen. Aber ist diese neue Nations League nicht doch etwas wirr?

Foda: Nein, für mich ist sie durchschaubar. Man hat die Möglichkeit, sich nach der EM-Quali noch für die Endrunde zu qualifizieren, sofern du Erster wirst. Es ist besser als jeder Test, wir freuen uns darauf. Auch die Fans gehen lieber ins Stadion, wenn es um etwas geht. Die Nations League ist keine lästige Verpflichtung, im Gegenteil. Sie ist eine Chance für die etwas kleineren Nationen.

STANDARD: Wie klein ist Österreich? Man stellt in Deutschland 28 Legionäre, so viele, wie kein anderes Land. Viele Positionen sind mehrfach besetzt. Sie sprechen selbst von der Qual der Wahl.

Foda: Es ist immer besser, wenn ein Trainer diese Qual hat. Es gehört zum Aufgabengebiet, schwierige Entscheidungen zu treffen. Ich teile sie den Spielern persönlich mit. Für mich ist es wichtig zu kommunizieren, ihnen die Gründe für eine Nichtberücksichtigung darzulegen. Diesmal fällt vorerst nur Kapitän Julian Baumgartlinger aus, eine Persönlichkeit. Jetzt müssen eben andere Verantwortung übernehmen.

STANDARD: Die Tormannfrage haben Sie noch nicht geklärt, es gibt keine klare Nummer eins. Eine These besagt, dass Torleute Sicherheit, Klarheit und Vertrauen brauchen, um Leistungen zu bringen.

Foda: Ich muss ja nicht unbedingt sagen, was alle hören wollen. Heinz Lindner hat meistens gespielt. Die beiden anderen, die jetzt da sind, also Cican Stankovic und Richard Strebinger, genießen ebenso mein absolutes Vertrauen. Dieses Vertrauen gibt allen drei Torhütern Sicherheit.

STANDARD: Sie waren bei der WM in Russland. Werden Sie die Erkenntnisse beim Lehrgang in Bad Waltersdorf den Spielern mitteilen?

Foda: Die Zeit ist zu knapp, wir reden über die Nations-League-Gegner Bosnien-Herzegowina und Nordirland. Davor befassen wir uns mit dem Testmatch gegen Schweden. Ich muss den Spielern nicht großartig vermitteln, wie toll es ist, bei einer WM oder EM dabei zu sein. Aber das ist kein Selbstläufer, Italien und die Niederlande haben die WM verpasst. Wir tun gut daran, demütig zu bleiben und von Spiel zu Spiel zu denken.

STANDARD: Was kann man von Weltmeister Frankreich lernen?

Foda: Frankreich hat meist nicht den spektakulärsten Fußball gezeigt. Aber es war die Mannschaft, die in der Defensive extrem stabil war. Und mit individueller Klasse wurden die Matches entschieden. Frankreich hat trotz der Superstars als Kollektiv funktioniert. Sie haben sich alle untergeordnet, das Team kam vor dem Ego. Und das ist das Wichtigste.

STANDARD: Muss ein Trainer mehr Manager und Psychologe sein? Weil kicken können sie ohnedies.

Foda: Es zählt bei Trainern nicht nur das Fachwissen, die Sozialkompetenz wird im heutigen Fußball immer wichtiger. Ich lege Wert auf den Mannschaftsgeist. Jeder Einzelne hat eine Rolle im Gefüge, jeder trägt zum Erfolg bei. Auch jene, die nicht spielen. Sie trainieren ja mit den anderen, pushen sie, treiben sie zu Höchstleitungen. Der Konkurrenzkampf ist da. Keiner darf sich ausruhen, es zählt die Leistung. Die Kreativität darf nicht auf Kosten der Mannschaft ausgelebt werden. Es gibt Regeln, aber innerhalb dieser Regeln darf sich jeder frei bewegen. Ich bin kein Detektiv, der vor den Zimmern wartet. Es sind ja erwachsene Männer, sie haben Kinder, müssen Verantwortung zu Hause übernehmen. Schert einer aus, ist er nicht der richtige Spieler für unsere Mannschaft, das muss jeder wissen, da bin ich konsequent.

STANDARD: Gibt es Spieler, die Sie überrascht oder verblüfft haben? Zum Beispiel Marko Arnautovic?

Foda: Ich gehe immer unvoreingenommen an die Sachen ran. Ich lasse mich nicht von Zweitmeinungen beeinflussen. Oft werden Menschen in eine Schublade gesteckt, wo sie überhaupt nicht hineingehören. Das ist bei Trainern auch der Fall. Ich mache mir selbst ein Bild. Marko Arnautovic ist absolut pflegeleicht. Beim Team sind alle sehr bodenständig, klar und demütig. Ich kann sie nur loben. Bisher war auch alles positiv, man muss abwarten, was in schwierigen Situationen passiert. (Christian Hackl, 1.9.2018)