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Gina Miller (im launigen Gespräch mit dem Schauspieler Tony Robinson) gehört zu den Frontfrauen gegen den britischen EU-Austritt.

Foto: Reuters / Henry Nicholls

Gina Millers neues Buch heißt kurz und bündig Rise, was man als "Aufstieg" übersetzen könnte oder als Aufforderung: "Aufstehen!" Eigentlich kein schlechter Name für eine neue politische Bewegung in Zeiten von Emmanuel Macrons "En Marche" und den neuerdings die italienische Regierung bevölkernden "Cinque Stelle".

Tatsächlich ist die aus dem südamerikanischen Guyana stammende Britin Miller, 53, ein hochpolitischer Mensch. Als Vermögensverwalterin im Londoner Finanzzentrum City eckte sie an mit einer Kampagne gegen die "legalisierte Plünderung" von Pensionsfonds durch die großen Banken, und sie musste sich in Anlehnung an die Giftspinne als "Schwarze Witwe" beschimpfen lassen.

Kampagne für den Verbleib

Für die oppositionelle Labour-Party schrieb sie 2015 am Programm für die später verloren gegangene Parlamentswahl mit. Und schließlich beteiligte sie sich schon früh an der Kampagne für Großbritanniens EU-Verbleib im Vorfeld des Referendums, das dann im Juni 2016 stattfand.

Dass sie anschließend vor Gericht zog, um die Beteiligung des Londoner Parlaments am Austrittsprozess zu erzwingen, hat sie auch ins internationale Rampenlicht katapultiert. Sowohl der High Court wie zuletzt auch der Supreme Court gaben Miller und ihrer Kanzlei Mishcon de Reya recht und fügten damit der Regierung von Theresa May eine blamable Niederlage zu. Die hatte sich zuvor auf das "königliche Vorrecht" berufen und damit Termin und Konditionen des Brexits allein bestimmen wollen.

Wüste Morddrohungen

Auf die Blamage reagierten fanatische EU-Hasser und die sie unterstützenden Medien giftig. Rechte Boulevardblätter wie Sun und Daily Mail sprachen von einer "fremden Elite" – Miller ist dunkelhäutig – und streuten allerlei anzügliche Gerüchte über die toughe Fondsmanagerin: Fanatische Brexiteers drohten ihr über die sozialen Netzwerke mit Massenvergewaltigung und sogar mit der Enthauptung. Und Millers drei Kindern – darunter eine behinderte Tochter – werde man "die Kehle durchschneiden".

Ob sie zwischendurch aufgeben wollte? Natürlich habe sie manchmal im stillen Kämmerlein geweint und sich um die Kinder Sorgen gemacht, räumt sie ein. Und trotzdem: "Je schlimmer man mich beleidigt, desto härter kämpfe ich."

Zweites Referendum

Millers neuer Kampf gilt nun einem zweiten Brexit-Referendum, für das sie aber drei Optionen zur Wahl stellen will: die für den Herbst in Aussicht gestellte Vereinbarung zwischen Regierung und EU; den als "no deal" bekannten Chaos-Brexit; und den EU-Verbleib, der aber an Reformen geknüpft sein solle.

Zur Untermauerung ihrer Hoffnung, ein neues Referendum werde anders ausgehen als jenes vor über zwei Jahren, verweist Miller auf die damaligen Abstimmungsmuffel sowie auf rund zwei Millionen junge Menschen, die seither die Volljährigkeit erreicht haben und statistisch gesehen der EU viel positiver gegenüberstehen als ihre Landsleute über 65 Jahren. Nach vielen Reisen durchs Land wisse sie: "Die Stimmung hat sich definitiv verändert."

Politische Zukunft möglich

Um die Führung der kleinen Liberaldemokratischen Partei bewerben – wie es kürzlich in Zeitungen zu lesen war – will sich die eloquente Finanzmanagerin nicht: "Die Parteipolitik ist nichts für mich." Aber vielleicht will sie die Chefin von Rise werden? Eine neue politische Bewegung sei gewiss möglich, sagt Miller. "Aber zunächst müssen wir die Brexit-Schlacht schlagen." (Sebastian Borger aus London, 1.9.2018)