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Als Sensenmann wird man nicht geboren. Wie man mit dem Werkzeug richtig umgeht, kann man ab Herbst aber lernen – in einem Lehrgang für Selbstversorger, der zurück zur Natur führen soll.

Foto: dpa / Patrick Seeger

Lustvoll in der Bioerde wühlen, zärtlich dem freilaufenden Henderl den Godern kraulen, um dann mit einem Stück Eigenbaukarotte im Mund zu überlegen, wann es sich nun eigentlich für das Kaninchen ausgehoppelt hat und ob der neue Bräter tatsächlich auch groß genug ist. Der Trend zum Selbstversorger ist ungebrochen, und so manche Lebensmittelskandale befeuern die Lust, dem Supermarkt ums Eck doch einfach die kalte Einkaufsschulter zu zeigen.

Generation Gummistiefel

Und längst haben jene, die regelmäßig in die Gummistiefel schlüpfen, das Kuriositäteneck verlassen. Nicht nur Aussteiger und Hippies knabbern ihren Vorgarten. Wer heute im Glashaus sitzt, sollte zwar immer noch nicht mit Steinen werfen, darf sich aber der gesellschaftlichen Bewunderung sicher sein. Während wir nämlich gegenwärtig eine Wirtschafts- und Arbeitswelt mit Rationalisierungen der Arbeitsprozesse, Digitalisierung und Robotik erleben, lechzt die Gesellschaft in ihrem Privaten nach innerer Einkehr und vor allem natürlichen Formen der Ernährung.

Doch wo ein Wille ist, ist noch lange kein Biogarten. Oft scheitert der Wunsch nach mehr Selbstständigkeit am nötigen Fachwissen. Und wer nicht weiß, was er im Beet tut, steht am Ende einer harten Gartensaison enttäuscht beim Gemüsehändler.

Abhilfe gegen den Lustverlust im Grünen schafft nun die Vitalakademie. Die Aus- und Weiterbildungsschmiede mit Standorten in Wien, Linz, Salzburg, Graz, Klagenfurt und Dornbirn bietet erstmalig im deutschsprachigen Raum eine umfassende Ausbildung zum diplomierten Selbstversorgungspädagogen an. In 926 Einheiten, verteilt über neun Monate, haben künftige Do-it-yourself-Jünger um 1980 Euro die Möglichkeit, sich nötiges Basiswissen anzueignen. Ehe man dann letztlich gut ausgebildet in den eigenen Garten entlassen wird, gilt es noch eine mündliche Diplomprüfung abzulegen.

Ein Blick in das Curriculum zeigt, dass der Kurs kein (Bio-)Honigschlecken ist, sondern den Teilnehmern durchaus einiges abverlangt wird: "Geschichte und Wege der Selbstversorgung", "Ökologie Stoffkreisläufe", "Grundlagen der Kleintierhaltung", "Vorratshaltung/Fermentieren und Konservieren", "Grundlagen der Milchverarbeitung", "Brotbacken". Hinzukommt das "Erlernen bewährter Handwerkstechniken" (Sensenmähen, Korbflechten, Filzen). Wer selbst produziert, darf Frischluft nicht scheuen: Am Kurskalender finden sich daher auch zahlreiche Praxistage am Bauernhof.

"Viele Menschen haben genug von Convenience-Food, Fertiggerichten, dem industrialisiertem Geschmack und einer marketingmäßigen Gleichmacherei. Man will wieder wissen, was in den Lebensmitteln drinnen ist. Die Qualität, die Naturbelassenheit und der Geschmack selbst hergestellter Produkte wird geschätzt", ist Initiatorin Sonja Kainberger im Standard-Gespräch überzeugt.

Fichtenmoped-Kosmetik

Auch gehe es um eine innere Entschleunigung. Kainberger: "Das Tempo und der Druck in unserer heutigen Gesellschaft sind ein Irrsinn. Der Körper ist zwar extrem anpassungsfähig, und wir halten viel aus. Doch es wächst die Unzufriedenheit und damit der Wunsch, aus diesem Hamsterrad auszubrechen."

Das Leben als Selbstversorger sei auch ein durchaus sportliches. "Man ist an der frischen Luft ordentlich in Bewegung." Wem aber der Griff zur Gartenkralle deutlich zu wenig Herausforderung ist, kann ich sich ein Beispiel an der Vitalakademie-Geschäftsführerin nehmen. Diese trifft man nämlich mitunter im Unterholz rund um die Ortschaft Klaus. Ganz dem Selbstversorgertrend entsprechend erwarb Sonja Kienberger gemeinsam mit ihrem Mann vor wenigen Jahren eine Holzheizung – samt eigenem Waldstück. "Es ist für mich die beste Entspannung. Wir machen alles selbst: vom Baumfällen bis zum Abtransport. Nach fünf Tagen im Wald fühlst du dich wie neu geboren. Die raue Luft ist das beste Peeling – da brauchst dann keinen Kosmetiktermin mehr."

Unterrichtet werden die angehenden Selbstversorgerpädagogen von einem Expertenteam. Kainberger: "Jeder kommt aus einem unterschiedlichen Fachbereich." Ein eigenes Modul "Holzfällen" findet sich im Kursprogramm übrigens nicht. Verständlich, ist ja auch Chefsache. (Markus Rohrhofer, 2.9.2018)