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Wienerberger-Vorstandsvorsitzender Heimo Scheuch plädiert für mehr Investitionen in Aus- und Weiterbildung sowie verstärktes Engagement in Sachen Integration von Nicht-EU-Bürgern.

Foto: Reuters/Bader

Heimo Scheuch war gerade auf Roadshow in New York und Toronto und hat dort Leute getroffen, die Milliarden verwalten. "Die kennen Wienerberger, wissen und schätzen, was wir tun", freut sich der gebürtige Kärntner, der als Vorstandschef des weltgrößten Ziegelherstellers für gut 16.000 Mitarbeiter verantwortlich ist. Der Konzern hat mehr als 200 Produktionsstandorte in 30 Ländern.

STANDARD: Rundum werden Mauern errichtet, nicht alle aus Ziegeln, manche sind auch nur ideologischer Natur. Was empfinden Sie?

Scheuch: Ich bin ein weltoffener Mensch, der an den Austausch von Waren, Ideen und Konzepten über Grenzen hinweg glaubt. Wir in Europa sind nicht zuletzt aufgrund der historischen Erfahrung gut beraten, Brücken zu bauen und keine Mauern. Auf den Euro-Scheinen sind im Übrigen auch Brücken abgebildet.

STANDARD: Dass eine Gegenbewegung zur Globalisierung im Gang ist, lässt sich aber nicht abstreiten.

Scheuch: Es hat viele Menschen gegeben, die von dieser Art der Globalisierung nicht profitiert haben. Viele verstehen auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht. Wir beschäftigen uns viel zu sehr mit Fragen wie: Gibt es genügend Pferde für die Polizei, dürfen wir 140 auf der Autobahn fahren oder bei Rot rechts abbiegen? Wirklich Relevantes, etwa wie man den Wirtschaftsstandort stärken kann, wird nicht diskutiert.

STANDARD: Heiß diskutiert wird hingegen die Migration.

Scheuch: Europa braucht Zuwanderung, wenn Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden sollen. Wir haben heute auch in Österreich in vielen Bereichen zu wenig Fachpersonal. Diese qualifizierten Arbeitskräfte bekommen Sie nicht in drei Wochen, auch nicht in sechs Monaten. Der Prozess der Integration von Menschen, die zugewandert sind, war in den vergangenen Jahrzehnten falsch aufgesetzt. Wir müssen jetzt die richtigen Maßnahmen setzen, um wieder Fachpersonal zu bekommen.

STANDARD: Das heißt?

Scheuch: In Aus- und Weiterbildung sowie Integration investieren. Nur so kann Europa international wettbewerbsfähig bleiben.

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Integration statt Ausgrenzung von Nicht-EU-Bürgern könnte ein Rezept sein, um den auch auf dem Bau grassierenden Fachkräftemangel in Europa zumindest kurzfristig zu entschärfen.

STANDARD: Eine selektive Einwanderungspolitik, wie sie die USA, Kanada oder Australien seit Jahrzehnten betreiben, hat Europa verabsäumt?

Scheuch: Man muss fairerweise dazusagen, dass es immer schwieriger wird, eine gezielte Einwanderungspolitik zu machen. Im Sinne der Sicherheit muss es klare Regeln für die Einwanderung geben. Noch viel wichtiger: Wir brauchen eine Integrationspolitik, die zugewanderte Menschen an die Kultur und die ethischen Werte der Gesellschaft heranführt. Es ist nicht damit getan zu sagen: Jetzt bist du Österreicher oder Österreicherin; das dauert Jahrzehnte. Am besten geht das über die Arbeit und die Integration über den Arbeitsprozess.

STANDARD: Bei aller Kritik, die Sie anbringen – könnte es sein, dass Wienerberger vom zunehmenden Nationalismus eher profitiert als Unternehmen aus anderen Branchen?

Scheuch: Es ist für uns kein Nachteil. Wir produzieren lokal, vertreiben lokal, schaffen lokale Wertschöpfung und legen großen Wert auf nachhaltige Produktion. Wir müssen unsere Produkte nicht tausende Kilometer weit transportieren, Straßen belasten und dabei unnötig CO2 ausstoßen.

STANDARD: Könnte Ihnen die steigende Bedeutung des Lokalen auch in Großbritannien helfen, sollte es einen harten Brexit geben? Dort macht Wienerberger zehn Prozent des Konzernumsatzes.

Scheuch: Den Großteil der Verkaufsmengen produzieren wir in Großbritannien selbst, kleinere Mengen importieren wir aus Belgien und den Niederlanden. Das auch deshalb, weil wir gewisse Produkte in Großbritannien gar nicht produzieren und auch die lokale Infrastruktur in England nicht immer die beste ist. Man bringt mitunter Produkte mit dem Schiff über den Ärmelkanal leichter an den Bestimmungsort als mit Lkws, weil die Regionalstraßen schlecht oder verstopft sind.

STANDARD: Wenn ein künftiger Premier oder eine Premierministerin in Anlehnung an Trump sagen würde: Great Britain first, wird sich die Wienerberger-Tochter in Großbritannien den Spruch auch auf ihre Fahne schreiben?

Scheuch: Nein, das werden wir nicht tun. Wir produzieren zwar lokal und vertreiben lokal, sind aber ein europäisch denkendes Unternehmen. Für mich ist es nicht wichtig, ob wir österreichische Ziegel draufschreiben, belgische oder was auch immer. Man soll und darf mit diesem Thema nicht spielen, man muss eine gewisse Verantwortung auch diesbezüglich an den Tag legen.

STANDARD: Lange Zeit dachte man, die Welt sei ein globales Dorf und ein Weg zurück zur Kleinstaaterei ausgeschlossen. Müssen wir diesbezüglich umdenken?

Scheuch: Wir müssen uns eines vor Augen halten – es gibt keinen Point of no Return. Jede Integration im internationalen Recht impliziert auch die Möglichkeit des Austritts oder der Desintegration.

STANDARD: Siehe die Europäische Union und Großbritannien.

Scheuch: Zum Beispiel. Aus jedem Verein kann ich austreten, und das ist auch richtig. Wenn man gewisse Werte nicht teilt, soll man austreten können. Man soll sich dabei aber immer darauf besinnen, dass das Verbindende und nicht das Trennende im Vordergrund steht. Die Mehrzahl der Briten ist durchaus europäisch eingestellt. Viele denken integrativ, haben gewisse Vorbehalte, sind oft aber auch sehr schlecht informiert.

STANDARD: Das einzig Beständige scheint der Ziegel zu sein.

Scheuch: Der Ziegel ist ein Naturprodukt, das aus Wasser, Erde und Lehm unter Einwirkung von Feuer und Luft entsteht und Jahrtausende hält.

STANDARD: Welches Potenzial steckt denn noch im Ziegel, das seit der Römerzeit nicht schon längst gehoben worden wäre?

Scheuch: Ein Riesenpotenzial. Wienerberger hat den Umsatz seit der Krise fast verdoppelt – von 1,7 Milliarden auf mehr als drei Milliarden Euro. Auch das Ergebnis haben wir stark entwickelt, Mitarbeiter weiter aufgebaut. Wir forschen und entwickeln sehr viel. Der Ziegel von vor 5000 Jahren ist ein anderer als der heutige. 25 Prozent von den drei Milliarden Euro Umsatz stammen von Produkten, die nicht älter sind als fünf Jahre. Innovation ist alles.

STANDARD: Dazu brauchen Sie kluge Köpfe. Wie bekommen Sie die?

Scheuch: Ich traue mich zu behaupten, dass Wienerberger heute einer der präferierten Arbeitgeber im Bereich der Bauzulieferindustrie in Europa ist. Wir haben kein Problem, junge Talente zu finden, ob sie nun direkt vom Studium kommen oder ob es die zweite oder dritte Berufserfahrung ist, die sie zu uns führt.

STANDARD: Viele jammern, dass sie keine Fachkräfte bekommen, Sie nicht?

Scheuch: Was Wienerberger betrifft, jammere ich nicht. Es sind die Verarbeiter unserer Produkte, die sich zunehmend schwertun, Fachkräfte zu finden – Dachdecker, Maurer, Installateure. Das allerdings macht mir schon Sorgen.

STANDARD: Was sagen Sie zur momentanen Causa prima: Lehrlinge ohne Asylstatus die Lehre fertig machen lassen oder sofort ausweisen?

Scheuch: Wenn ich jemanden schon hier habe und in diese Person investiere, würde ich es gut finden, dass man dieser Person die Chance gibt, das zu machen. Darüber hinaus gäbe es so viel Wichtiges, das man angehen müsste.

STANDARD: Beim Wohnbau haben Sie sicher klare Vorstellungen, was zu geschehen hätte.

Scheuch: Ist es sinnvoll, dass in Österreich so viel Geld mit niedrigen Zinsen herumliegt, frage ich mich. Ist es sinnvoll, dass so viel Geld unproduktiv in Stiftungen steckt? Warum geht man nicht her und gewährt auch gewöhnlichen Menschen eine steuerliche Begünstigung, wenn sie Aktien erwerben? Jeden Euro, den Sie heute als Staat hier investieren, bekommen Sie mehr als zurück. (Günther Strobl, 3.9.2018)