Oben im Norden gehen die Uhren anders. Im Sommer ist es länger hell, mitunter gar nie dunkel. Im Winter ist es länger dunkel, mitunter gar nie hell.

Und wenn Sofia Karppi (Pihla Viitala), die junge, dennoch schon verwitwete und alleinerziehende Kommissarin, im düsteren Helsinki ihren neuesten Mordfall übernimmt, dann fehlen an den Bäumen schon die Blätter, und der Wind treibt den Schnee vor sich her ... der Winterblues lässt grüßen. So schnell kann ein heißer Serien-Sommer zu Ende gehen.

Sehr nordisch ist auch das Tempo der neuen Netflix-Serie "Deadwind" (im finnischen Origional: Karppi) geraten: getragen, sehr bedächtig. Gas geben die Finnen offenbar nur bei der 1000-Seen-Ralley.

originalversions

Statt in hektischer Atemlosigkeit versuchen zu müssen, dem Plot überhaupt zu folgen, haben wir hier alle Zeit dafür. Gemeinsam mit Sofia Karppi denken wir nach, trauern wir, verzweifeln wir, versuchen wir, uns wieder aufzurichten. Eine Serie wie ein Requiem, wie ein langsamer Abschied von der Sonnenseite des Jahres und des Lebens. Uff.

Da kann es schon passieren, dass die Drehbuchautoren mittendrin einen Durchhänger haben und sich in unnötigen Nebenhandlungen verfranzen (die Serie wäre verlustfrei von zwölf auf zehn Folgen eindampfbar). Und offenbar war dem Location-Scout zu kalt, um den perfekten Ort für eine psychiatrische Klinik zu finden.

Trotzdem: Krimis machen können die Frauen und Männer des Nordens sehr gut. Es wäre keine Überraschung, würde Sofia Karppi schon bald in einem Remake als US-Kommissarin in Detroit herumschnüffeln. Mit der finnischen Ermittlerin soll es jedenfalls ein Wiedersehen geben, irgendwann 2019. (Gianluca Wallisch, 3.9.2018)