Ab Dienstag wird hier in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss das BVT durchleuchtet.

Foto: Parlamentsdirektion/Topf

Die Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist wie eine Kippfigur: Je nach Perspektive erscheint ein anderer Skandal, aber beide gehören unzertrennlich zusammen und schließen einander nicht aus.

Die BVT-Affäre in aller Kürze

Die Causa beginnt im Sommer 2017, als plötzlich ein Dossier mit abenteuerlichen Vorwürfen gegen hochrangige Mitarbeiter von BVT und Innenministerium kursiert. Die Rede ist von Sexpartys, Veruntreuung von Geldern und Amtsmissbrauch, wobei Medien, darunter der STANDARD, einige Vorwürfe, etwa die Weitergabe nordkoreanischer Pässe an Südkorea, verifizieren können. Die Staatsanwaltschaft Wien beginnt zu ermitteln, findet aber wenig Substanz. Nach dem Amtsantritt von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nimmt die Sache im Frühjahr wieder an Fahrt auf. Sein Kabinett vermittelt Zeugen an die Staatsanwaltschaft, Justizminister Josef Moser sprach rückblickend von "Ermittlungsdruck".

Ende Februar 2018 dann der Paukenschlag: Staatsanwälte durchsuchen gemeinsam mit Polizisten der Antidrogeneinheit EGS den Verfassungsschutz und Privatwohnungen von Mitarbeitern. Außerdem werden Beschuldigte, darunter BVT-Chef Peter Gridling, suspendiert. Oppositionspolitiker sprechen von einer "Umfärbeaktion", mit der Innenminister Kickl unliebsame Akteure im Verfassungsschutz rasch und endgültig entfernen will – auch weil die BVT-Spitze als ÖVP-nah gilt, hatte das Innenministerium doch 18 Jahre lang Minister aus der Volkspartei.

Kickl bestreitet einen politischen Hintergrund vehement. Schnell wird klar, dass die Ermittler sehr viele Akten aus dem BVT mitgenommen haben, dar unter auch Fallfremdes und durch ausländische Geheimdienste gewonnene Informationen. Das soll zu einem Vertrauensverlust im Ausland geführt haben. Nach und nach wurden im Lauf der vergangenen Monate dann fast alle Suspendierungen sowie die Hausdurchsuchung von Gerichten für unzulässig erklärt.


Der Untersuchungsausschuss

4. und 5. September 2018

  • Fünf BVT-Mitarbeiter
  • Ein Polizist der Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität

Den Anfang machen Mitarbeiter des BVT. In der ersten Ausschusswoche sind gleich fünf ehemalige und aktuelle Verfassungsschützer geladen, darunter auch Beschuldigte. Die Abgeordneten werden wissen wollen, wie diese die Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz und in Privatwohnungen erlebt haben. Diese erfolgten durch die Einsatzgruppe für Straßenkriminalität (EGS) unter Leitung der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem BVT zu zwei Themenkomplexen: Erstens sollen sensible Daten nicht ordnungsgemäß gelöscht worden sein, zweitens sollen die Rechte der Republik Nordkorea verletzt worden sein, da nordkoreanische Passrohlinge an den südkoreanischen Geheimdienst geliefert wurden.

18. und 19. September 2018

  • Andreas Wieselthaler, Chef des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung (BAK)
  • Ein BVT-Mitarbeiter
  • EGS-Chef Wolfgang Preiszler
  • Drei EGS-Mitarbeiter
EGS-Chef Wolfgang Preiszler (Zweiter von rechts) wird das Vorgehen seiner Einheit erklären müssen.
Foto: BMI/Tuma

Ab Mitte September werden vor allem Mitarbeiter der EGS geladen, die im Auftrag der Staatsanwaltschaft die Hausdurchsuchungen durchführte. Noch ist unklar, ob diese Sitzungen medienöffentlich werden (siehe Infos weiter unten). Am 19. September wird auch EGS-Leiter Wolfgang Preiszler auftreten, der wegen seiner engen Verbindungen zur FPÖ – er ist freiheitlicher Gemeinderat – und rassistischen Facebook-Postings für Schlagzeilen sorgte. Wichtige Punkte sind etwa die Frage, ab wann die Razzia fixiert war, wie aggressiv die EGS vorging und warum so viele Daten von BVT-Mitarbeitern sicher gestellt wurden – darunter auch fallfremde Informationen oder Dokumente von ausländischen Partnerdiensten.

2. und 3. Oktober 2018

  • Staatsanwältin Ursula Schmudermayer
  • Der Journalrichter, der die Razzia bewilligt hat
  • Staatsanwalt Wolfgang Handler
  • Christian Pilnacek, Generalsekretär im Justizministerium
  • WKStA-Chefin Ilse Vrabl-Sanda
  • Abteilungsleiter Robert Jirovsky
WKSTA-Leiterin Ilse Vrabl-Sanda nimmt am 3. Oktober vor dem U-Ausschuss Platz.
Foto: APA/Fohringer

Anfang Oktober wendet sich der Untersuchungsausschuss dann Staatsanwaltschaft und Justiz zu. Geladen sind unter anderen jener Journalrichter, der die mittlerweile für unzulässig erklärte Razzia genehmigt hatte, sowie die fallführende Staatsanwältin. Ihr wird vorgeworfen, "Ermittlungsdruck" aus dem Innenministerium – vor allem von Generalsekretär Peter Goldgruber – stattgegeben zu haben. Vor allem das Innenministerium wird ihrer Aussage mit gewisser Sorge entgegenblicken. Am Tag darauf erscheinen Christian Pilnacek, Generalsekretär im Justizministerium, sowie die Leiterin der Korruptionsstaats anwaltschaft. An diesem Tag wird es vor allem um den Informationsfluss zwischen Ministerium und Staatsanwaltschaft gehen.

11., 16. und 17. Oktober 2018

  • Vier (ehemalige) BVT-Mitarbeiter
  • Die Leiterin des BVT-Extremismusreferats
  • Rechtsanwalt Gabriel Lansky
  • Ex-BVT-Chef Gert-René Polli
Anwalt Gabriel Lansky hat gegen das BVT prozessiert. Hier ist er beim Hypo-U-Ausschuss zu sehen.
Foto: APA/Fohringer

Im restlichen Oktober wendet sich der U-Ausschuss wieder dem BVT selbst zu. Nun werden Zeugen gehört, etwa die Leiterin des Extremismusreferats, bei der große Mengen an Daten sichergestellt wurden. Außerdem sprechen jene vier Belastungszeugen, deren Aussagen die Razzia auslösten. Hier stellt sich die Frage, ob sie vom Innenministerium beeinflusst worden sind. Zwei der Zeugen wurden von einem Kabinettsmitarbeiter von Herbert Kickl (FPÖ) zur WKStA begleitet. Auch Ex-BVT-Chef Gert-René Polli, der im Hintergrund die Gerüchte über das BVT befeuert haben soll, wird vor dem U-Ausschuss Platz nehmen. Ebenso erscheint der Rechtsanwalt Gabriel Lansky, der wegen illegaler Datenspeicherung bereits gegen das BVT prozessiert hat.

6., 7. und 27. November 2018

  • Peter Goldgruber, Generalsekretär im Innenministerium
  • Kabinettsmitarbeiter Udo Lett
  • BVT-Chef Peter Gridling
  • BVT-Vizechef Dominik Fasching
  • Innenminister Herbert Kickl
  • Generaldirektorin für öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis
Die Befragung von Innenminister Kickl markiert das Ende von Runde eins im BVT-U-Ausschuss.
Foto: Juen/Picturesdesk

Im November folgt dann das vorläufige Finale. Nun erscheinen Generalsekretär Peter Goldgruber, BVT-Chef Peter Gridling sowie, am 27. November, Innenminister Herbert Kickl. Sie werden mit den Aussagen früherer Zeugen konfrontiert werden. Vor der Winterpause gibt es dann noch drei weitere Termine, bei denen Zeugen erneut befragt werden könnten oder erkrankte Zeugen ihren Termin nachholen können. Kurz vor Weihnachten ist der erste Durchgang des U-Ausschusses dann beendet. Ab Jänner sollen dann die Vorwürfe gegen das BVT und ein "schwarzes", also ÖVP-nahes Netzwerk, dort zum Thema gemacht werden.


Ticken und Tickern: Alltag im U-Ausschuss

Im U-Ausschuss tickt die Stoppuhr: Jede Auskunftsperson darf maximal vier Stunden befragt werden. Das klingt nach ausreichend Zeit, de facto wird es aber oft knapp: Jede Auskunftsperson darf anfangs ein einleitendes Statement abgeben. Dann gibt es drei Fragerunden: Jede der fünf Fraktionen darf in der ersten Runde sechs Minuten lang fragen, in der zweiten drei und in der letzten Runde eine Minute. der STANDARD wird aus allen Sitzungen live tickern – soweit möglich. Die Öffentlichkeit kann nämlich ausgeschlossen werden, zum Beispiel, wenn das zum Schutz der Auskunftsperson oder von Betriebsgeheimnissen notwendig erscheint. Die meisten Auskunftspersonen sind öffentliche Bedienstete. Für sie gilt, dass sie sich bei der Befragung nicht auf die Verpflichtung zur Geheimhaltung berufen dürfen. Die Dienstbehörde kann aber dem Ausschuss mitteilen, dass sie eine Befragung unter Ausschluss der Öffentlichkeit wünscht. Dem kann, muss der Ausschuss aber nicht nachkommen. (Fabian Schmid, Maria Sterkl, 3.9.2018)