In der Nacht protestierten zahlreiche Brasilianer gegen fehlenden Brandschutz des Nationalmuseums in Rio de Janeiro.

Foto: APA/AFP/DANIEL RAMALHO

Durch einen Brand wurden fast alle der 20 Millionen Ausstellungsstücke zerstört.

Foto: APA/AFP/MAURO PIMENTEL

Rio de Janeiro – Nach dem folgenschweren Brand im Nationalmuseum in Rio de Janeiro haben tausende Demonstranten staatliche Sparmaßnahmen für das Unglück verantwortlich gemacht. "Es ist nicht genug, einfach zu weinen", sagte Museumsdirektor Alexandre Keller am Montag (Ortszeit) vor dem ausgebrannten Gebäude. Die Regierung müsse endlich Geld für den Erhalt von Brasiliens Kulturschätzen bereitstellen.

Der Finanzchef der Universität von Rio de Janeiro, der das Museum unterstellt ist, sprach von einem "Verlust für die ganze Welt". "Wir werden diese Strangulierung öffentlicher Ressourcen nicht länger hinnehmen", sagte Roberto Antonio Gambine Moreira. "Ein Teil dieser Tragödie hätte verhindert werden können", sagte Museumsdirektor Keller. Die Regierung müsse dem Museum nun helfen, "seine Geschichte zu rekonstruieren".

Menschenkette vor ausgebranntem Museum

Vor dem ausgebrannten Gebäude protestierten rund 500 zumeist schwarz gekleidete Studenten und Wissenschafter mit einer Menschenkette. Im Zentrum von Rio versammelten sich später tausende Demonstranten. Sie beklagten, die Katastrophe habe sich angekündigt. Kulturminister Sergio Sa Leitao hatte zuvor eingeräumt, die "Tragödie hätte vermieden werden können". Die Probleme hätten sich im Lauf der Zeit angehäuft.

Zuvor hatte es vor dem Museum Zwischenfälle gegeben, als Demonstranten Steine auf Polizisten warfen, wie ein AFP-Fotograf berichtete. An die Adresse von Brasiliens Staatschef Michel Temer riefen einige: "Temer raus!"

"Teil des Gedächtnisses der Menschheit verloren gegangen"

Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian bot die Hilfe seines Landes beim Wiederaufbau des Museums an. "Während ganz Brasilien unter Schock steht, hält sich Frankreich bereit, bei der Renovierung des Nationalmuseums zu helfen", sagte der Minister am Dienstag bei einem Besuch im Louvre Abu Dhabi. Schließlich gehe es um "eines der Schmuckstücke Brasiliens". "In den Flammen ist ein Teil des Gedächtnisses der Menschheit verloren gegangen", sagte Le Drian.

Der französische Naturforscher Philippe Grandcolas sagte, durch den Brand seien "unersetzliche Archive der Artenvielfalt" für immer verloren. Den Zustand des Museums in Rio vor dem Brand beschrieb er als "veraltet". Das historische Gebäude sei lange nicht mehr renoviert worden, kritisierte der Forscher, der in Frankreichs Nationalem Naturkundemuseum arbeitet.

Der Brand war am Sonntagabend (Ortszeit) aus noch ungeklärter Ursache ausgebrochen. Das Feuer fraß sich binnen Stunden durch hunderte Ausstellungsräume und vernichtete alles auf seinem Weg. Nach einem stundenlangen Löscheinsatz suchten Feuerwehrleute am Montag nach Exponaten, die den Brand überstanden haben.

20 Millionen Exponate

Die 1818 gegründete Sammlung ist eines der ältesten Museen in Brasilien und das größte Natur- und Völkerkundemuseum Lateinamerikas. Insgesamt erstreckte es sich über eine Fläche von 13.000 Quadratmetern. Es zählte mehr als 20 Millionen Exponate, von denen der größte Teil nun zerstört wurde.

Ausgestellt wurden griechisch-römische, ägyptische und brasilianische Kunstschätze. Zu den Publikumsmagneten gehörte das älteste in Brasilien gefundene menschliche Fossil, ein Schädel des Urzeitmenschen "Luzia". Weitere Highlights waren das Skelett eines Dinosauriers und der größte in Brasilien gefundene Meteorit namens "Bendego" mit einem Gewicht von 5,3 Tonnen. Das 1831 angelegte Herbarium beherbergte 550.000 Pflanzen. (APA/dpa, 4.9.2018)