Istanbul/London – Die Ratingagentur Fitch hat ihre Wachstumsprognose für die in einer Währungskrise steckende Türkei deutlich gesenkt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde heuer um 3,8 und 2019 nur noch um 1,2 Prozent wachsen, sagte Fitch am Dienstag voraus. Bisher waren die Experten von 4,5 und 3,6 Prozent ausgegangen. 2020 soll es dann zu 3,9 Prozent reichen.

"Unsere Prognosen sind mit erheblichen Unsicherheiten behaftet", erklärten die Bonitätswächter. Dazu gehörten "politische Fehlentscheidungen, erhöhte finanzielle Belastungen im Privatsektor, geopolitische Spannungen und potenzielle Kapitalflucht".

Drastische Lira-Abwertung

Der Türkei setzt die drastische Abwertung der Landeswährung Lira zu, die seit Jahresbeginn um etwa 43 Prozent zum Dollar verloren hat. Das hat die Inflationsrate im August auf 17,9 Prozent schnellen lassen, den höchsten Wert seit Ende 2003. Die Zentralbank geht davon aus, dass der Inflationsdruck auch im September anhalten wird. Durch die schwache Währung werden Importe deutlich teurer, was die Verbraucherpreise in die Höhe treibt. Fitch rechnet nun mit Zinserhöhungen durch die Zentralbank, mit der die Währung wieder attraktiver werden könnte für Anleger. Eine Rückkehr zu einstelligen Inflationsraten sei aber nicht vor Ende 2020 zu erwarten.

Vom niedrigen Lira-Kurs dürfte der Export profitieren, der eine Wachstumsstütze bleibe, erklärte Fitch. Auch der Tourismus helfe der Konjunktur. Bereits im ersten Halbjahr waren die Besucherzahlen um fast ein Drittel gestiegen. Die Staatsfinanzen dürften sich angesichts der schwächeren Konjunktur aber verschlechtern. Heuer erwartet Fitch ein Defizit von 3,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, 2018 von 3,6 Prozent. Das sei fast ausschließlich auf niedrigere Staatseinnahmen zurückzuführen.

Hahn schließt EU-Finanzhilfe an Türkei aus

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn hat eine EU-Finanzhilfe an die Türkei wegen der Lira-Krise ausgeschlossen. Die Türkei müsse "ihre eigenen Hausaufgaben machen", die Probleme seien "nicht aufgrund externer Faktoren entstanden", sagte Hahn am Dienstag in Tiflis zur APA. Es gehe etwa um die Unabhängigkeit der Nationalbank und um andere Fragen.

Hahn warnte bei einem Besuch in der georgischen Hauptstadt davor, dass die türkische Wirtschaftskrise auch Auswirkungen auf Georgien haben könnte. Die Türkei sei als einzelnes Land wichtigster Handelspartner Georgiens. Zudem leide Georgien wegen seiner exponierten Lage auch unter den Auswirkungen der Aufkündigung des Iran-Abkommens durch die USA. Die georgische Wirtschaft und insbesondere der Bankensektor seien allerdings heute widerstandsfähiger als noch vor drei Jahren, sagte der EU-Kommissar. (APA, Reuters, 4.9.2018)