Der Aufmarsch im Wald.

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Andrej Šiško, Anführer der Štajerska varda.

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Ljubljana – Wenige Tage vor dem Antritt der neuen Mitte-links-Regierung sorgt in Slowenien eine rechtsextreme bewaffnete Bürgerwehr für Aufsehen, die sich in der nordöstlichen Region Štajerska, der ehemaligen Untersteiermark, formiert hat. Nach den Worten ihres Anführers Andrej Šiško zählt die Štajerska varda (Steirische Wacht) mehrere hundert Mitglieder und soll unter anderem für Grenzschutz sorgen.

In sozialen Netzwerken waren Bilder von Mitgliedern der Bürgerwehr zu sehen, die Tarnkappen trugen und unter anderem mit Äxten bewaffnet waren. Ihre Aufgabe sei der Schutz des "Landes" Štajerska, das im Juni des Vorjahrs gegründet worden sei. "Es handelt sich um ein paralleles Rechtssystem, das steirische Recht, das keine unmittelbaren Verbindungen mit der Republik Slowenien hat und auch nicht im Gegensatz zu ihrer Rechtsordnung steht", erläuterte der Chef der rechtsextremen Splitterpartei Vereinigtes Slowenien.

Das Video zeigt, wie die Vermummten schwören, dass sie "bis zum Tod treu die Befehle unserer Vorgesetzten erfüllen werden und alles zur Verteidigung der freien Volksregierung des Landes Štajerska tun werden": "Steirische Treue. Štajerska bis ins Grab!" ("Štajerska zvestoba, Stajerska do groba")
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Weil jedes Land auch seine Verteidigungskräfte haben müsse, habe man die Štajerska varda gegründet, sagte Šiško. Eine Erlaubnis zum Tragen von Waffen benötigten ihre Mitglieder nicht, denn: "Das Tragen von Waffen ist ein grundlegendes Menschenrecht."

Zugleich distanzierte er sich von einem Aufruf zur Erstürmung des slowenischen Parlaments, der auf den Bildern des Aufmarsches zu sehen war. "Wir haben damit nichts zu tun", sprach Šiško von einer Provokation. "Es reicht uns. Wir nehmen das Parlament ein. Protest gegen die Regierung, die Slowenien in Venezuela verwandeln wird", war auf dem Bild zu lesen.

Viele Wähler in Grenzregion

Der rechtsextreme Politiker hatte im vergangenen Oktober bei der Präsidentenwahl für Aufsehen gesorgt. Mit islamfeindlichen Parolen holte er 2,2 Prozent der Stimmen und überholte damit unter anderem die Kandidatin der damaligen liberalen Regierungspartei SMC. In der strukturschwachen Grenzregion zur Steiermark erreichte Šiško in mehreren Wahlkreisen zwischen fünf und sechs Prozent.

Staatspräsident Borut Pahor bezeichnete die Vorgänge am Montag als "völlig inakzeptabel" und forderte die Behörden zum Eingreifen auf. Ähnlich äußerte sich der scheidende Regierungschef Miro Cerar. "Slowenien ist eines der sichersten Länder der Welt. Die zuständigen Stellen sind bereits informiert, und wir erwarten, dass sie entsprechend gegen die Verantwortlichen vorgehen werden", betonte Cerar, der Außenminister in der künftigen Regierung sein soll.

Polizei ermittelt

Die slowenische Polizei teilte mit, dass sie wegen "mehrerer strafrechtlicher Delikte" ermittle, etwa wegen öffentlichen Aufrufs zu Hass und Gewalt, unerlaubten Waffenhandels und Verstößen gegen die Souveränität Sloweniens und ihre demokratische Ordnung.

Besorgt zeigten sich auch Experten. Slowenien sei nicht mehr immun gegen verschiedene Formen von Radikalisierung, betonte der Sicherheitsexperte Iztok Prezelj. "Wenn mit Hacken bewaffnete Jugendliche damit beginnen, Regeln aufzustellen und eine Ordnung aufzudrängen, landen wir beim Recht der Straße und des Mobs", warnte sein Kollege Aleš Bučar Ručman. Wohin das führe, habe man in den 1930er-Jahren in Deutschland gesehen.

Fünfmal Regierung abgewählt

Die slowenische Politik befindet sich in einer Dauerkrise, nachdem bei fünf Parlamentswahlen in Folge die jeweiligen Regierungschefs abgewählt wurden. Auch dem neuen Regierungschef Marjan Šarec werden nur wenig Erfolgschancen gegeben. Der Mitte August von Parlament gewählte bisherige Lokalpolitiker steht an der Spitze einer wackeligen Minderheitsregierung aus fünf liberalen und linken Parteien. Der Anti-Establishment-Politiker kam bei der Regierungsbildung zum Zug, weil der konservative Wahlsieger Janez Janša von einer Mehrheit im Parlament boykottiert wird.

Janša ist wegen seines Liebäugelns mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán umstritten. Der Ex-Premier schloss sich am Montag auch der scharfen Kritik an Šiškos Bürgerwehr nicht an. Stattdessen bemühte er eine Verschwörungstheorie. Es handle sich vielmehr um "einen schon mehrmals wiederholten Trick des tiefen Staates", bei dem "alle" vom Präsidenten bis zu den "Mainstreammedien" mitspielten, schrieb Janša auf Twitter in Anspielung auf die angeblichen linksliberalen Machtstrukturen, die ihn von der Macht fernhalten wollen. (red, APA, 4.9.2018)