In dieser Woche stellt Doris Knecht fest: Die Beweglichkeit ist erheblich besser nach dem Faszientraining.

Foto: Irina Gavrich

Ich habe Leute schon viel lachen hören über Faszientraining; me too, das war, bevor ich zum ersten Mal ein Faszientraining machte. Eines Tages legte die fortbildungsfreudige Trainerin unserer seit Jahren bestehenden Bodyweight-Gruppe jedem eine schwarze Rolle auf die Matte und fragte, wie viele Faszien ein Mensch habe, ratet mal. Wir rieten und begannen dann, verschiedene Körperregionen abzurollen. Seither finde ich Faszientraining nicht mehr lustig.

Eine Faszienrolle ist ein harmlos aussehender Hartschaumzylinder, circa 30 Zentimeter lang, etwa 15 Zentimeter im Durchmesser, einige sind in der Mitte hohl. Das Original ist schwarz und nennt sich wohl deshalb Blackroll, es gibt sie aber auch in anderen Farben, mit verschiedenen Oberflächen, in unterschiedlichen Härtegraden und Formen, je nachdem, welche Wirkung man erzielen und auf welchen Körperteil, welche Muskelgruppe, welche Gewebepartien man losgehen will. Wie viele Faszien hat also der Mensch, zehn, tausend, eine Million?

Nun, im Prinzip ist es eine, denn Faszien sind ein zusammenhängendes Geflecht von verwobenen Häuten und Fasern, die Muskeln, Knochen und Organe umhüllen. Durch Stress, falsche Haltung und Bewegungsmangel, Verletzungen und Schonhaltungen können sich Faszien verhärten und verkürzen, was die Beweglichkeit einschränkt und mitunter zu schmerzhaften Verspannungen führen kann. Wenn ich das richtig verstanden habe. Ich stelle mir das Ganze wie eine Art Schweinsnetz vor. Relativ logisch, dass es besser ist, wenn dieses Netz elastisch ist.

Körpereinsatz

Bevor ich die Faszienrolle das erste Mal benutzte, vermutete ich, Faszientraining sei so etwas Ähnliches wie Trockenmassage mit diesen genoppten Holzrollen. Großer Irrtum, der einen dann das Lachen vergehen lässt. Denn nicht die Faszienrolle wird über den Körper gerollt, sondern der Körper über die Rolle: Faszientraining ist im Wesentlichen eine Selbstmassage unter Einsatz des eigenen Körpergewichts, und da kann, kommt auf den Körper an, ordentlich Druck entstehen. Muskeln und Faszien werden sozusagen zwischen Rolle und Körper durch die Bewegung weich und elastisch geknetet.

Faszientraining: Je öfter man rollt, desto leichter wird es.
Foto: Getty Images/iStockphoto/Jan-Otto

Ich darf berichten, dass die Intensität der Klagelaute in der Gruppe bei keiner anderen Übung herzzerreißender ist als in jenen Minuten, in denen wir mit der Rolle eine Muskelgruppe und die dazugehörigen Faszien bearbeiten, die sie einhüllen. Oberschenkel vorn, Ober-au!-schenkel hinten – Oberschenkel seitlich – veeeeeerflucht! Gluteus, OMG. Man hat unter den Achseln Muskeln, wussten Sie das? Ja, Sie wussten das natürlich, ich weiß es auch, seit wir diese Muskeln regelmäßig abrollen, indem wir uns mit gestrecktem Oberarm seitlich auf die Rolle legen und dann ganz kleine Bewegungen machen. Niemand lacht. Es ist ein vielstimmiges Jammern, wer hat schon eine unverspannte Muskulatur ohne Verhärtung. Einen Muskel zu bezwingen dauert etwa 90 quälend lange Sekunden, meistens länger, dann lässt der Schmerz mitunter ein wenig nach.

Immerhin: Je öfter man rollt, desto leichter wird es. Man spürt den Effekt durch eine verbesserte Beweglichkeit, etwa nach dem Abrollen der rückwärtigen Beinmuskulatur. Versuchen Sie vor dem Abrollen die Hände stehend bei gestreckten Beinen auf den Boden zu kriegen, versuchen Sie es nachher; bei den meisten ist der Unterschied sichtbar. Rollen lernen kann man in einem der vielen Faszientrainings, von den der Rolle beiliegenden Übungen oder aus den hundertfach im Netz verfügbaren Videos. Und natürlich gibt es eine App, die Anleitung bietet und zusätzliches Funktionstraining, für das sich die Rolle einsetzen lässt.

Expertinnen raten zu nicht mehr als zwei bis drei Rollouts pro Woche, nicht länger als jeweils zehn bis 20 Minuten, in denen man sich wiederum nie mehr als fünf Minuten auf einen Bereich konzentrieren soll. Geht auch beim Fernsehen, übrigens. Wenn man es regelmäßig macht, lächelt man irgendwann vielleicht sogar dabei. (Doris Knecht, RONDO, 7.11.2018)

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