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Sie ist Schauspielerin und Schlagzeugerin. Aber nicht nur das. Tennessee Thomas, rosa Haare, roter Lippenstift, modelt gerade für eine Kampagne von & Other Stories. Dabei ist sie keine dieser hochgewachsenen Bohnenstangen, die in Mailand oder Paris die Laufstege rauf- und runterlaufen. Muss sie auch gar nicht.

Die gebürtige Britin, 33 Jahre alt (unten im Bild), wurde von der Marke nicht engagiert, weil sie ein klassisches Model ist, sondern weil sie für mehr steht. Die Szenefrau hat vor fünf Jahren im New Yorker East Village die Aktivistengruppe The Deep End Club gegründet. Deren Mitglieder engagieren sich im Tierschutz oder gegen Landminen, bekanntester Kopf ist das It-Girl Alexa Chung.

Szenefrau Tennessee Thomas modelt ausnahmsweise für & Other Stories. Die H&M-Marke richtet sich an eine individualistische weibliche Kundschaft.
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Jetzt verkaufen Thomas und ihre Mitstreiterinnen an die individualistische weibliche Kundschaft von & Other Stories T-Shirts mit Slogans, die wie psychedelische Pink-Floyd-Schriftzüge aus den 1960ern aussehen: "Give A Damn", "In Solidarity", "Open Doors" – das klingt engagiert, tut aber niemandem weh. T-Shirts mit Wischiwaschi-Statements sind bei jungen Frauen mindestens so angesagt wie Feminismus-Shirts.

Kleidung von & Other Stories wird es jetzt auch in Wien geben. In der Kärntner Straße hat das Unternehmen eine Filiale eröffnet, die erste in Österreich. Ausgerechnet in eine ehemalige Zara-Filiale in bester Innenstadtlage ist die Marke mit der Nischenattitüde eingezogen. Mit Nische hat das Unternehmen allerdings nichts gemein. & Other Stories wurde 2013 von H&M gegründet, mittlerweile gibt es 60 Filialen weltweit. Das Unternehmen, das ursprünglich als Kosmetikmarke geplant war, verkauft heute neben Bodylotion, Lipgloss und Lidschatten Mode, Accessoires, Schuhe und Schmuck, die Zielgruppe sind Frauen.

Bloß keine Langeweile

Designteams in Los Angeles, Paris und Stockholm sollen dafür sorgen, dass den Kundinnen nicht langweilig wird. In Stockholm würden besonders starke Winterkollektionen entworfen, in Paris sei man gut in Bademode, erklärt PR-Managerin Elke Kieft, seit Anfang an bei & Other Stories dabei. In der Vergangenheit entwarf außerdem Sonic-Youth-Ikone Kim Gordon oder das US-Modehaus Rodarte für das Label, mit solchen Kooperationen will die Marke Geschmack beweisen. Jochen Strähle, Modemarketing-Experte von der Uni Reutlingen, versteht warum: "Heute lebt jeder in seiner Nische oder Blase.

Unternehmen müssen Welten schaffen, in denen sich die Konsumenten zu Hause fühlen, alles andere bewegt emotional nicht mehr." Bei H&M sollen nun Spezialkommandos wie & Other Stories die Kunden ansprechen. Deren Produkte sind etwas teurer als die durchschnittliche H&M-Ware. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat man in diese schärfer definierten Marken (Übersicht auf der rechten Seite) investiert. 2007 wurde das minimalistische Label Cos gegründet, ein Jahr später folgten Monki, Cheap Monday und Weekday. Seit 2009 kann man sich im Home-Segment mit Accessoires eindecken, 2017 wurde die erste Filiale des Premium-Labels Arket eröffnet, mit Nyden sollen onlineaffine Millennials angesprochen werden.

Der neue Store von & Other Stories in der Kärnterstraße.
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Verwässertes Image

Dass der Mutterkonzern H&M nach der Expansion der letzten Jahre (mit heute rund 4.700 Filialen in 69 Ländern) unter einem verwässerten Image leidet, ist schon beim Durchblättern des hauseigenen Katalogs erkennbar: Die modische Identität der Schweden wirkt ähnlich unbestimmt wie die von mittelpreisigen Marken wie Esprit oder Benetton. Darüber können auch die Shows der modischeren Studio-Linie während der Pariser Modewoche oder die aktuelle Denim-Kollektion der deutschen Youtuberin Dagi Bee nicht hinwegtäuschen. Selbst die einst von medialem Trommelwirbel begleiteten alljährlichen Designerkooperationen sind kein Alleinstellungsmerkmal mehr.

Denn die Modewelt hat sich verändert. Heute verkünden Streetwear-Brands und Retailer nahezu täglich Designerkooperationen. Der spanische Retailer Zara ahmt Trends in Höchstgeschwindigkeit nach und hat H&M so als größte Textilkette vom Thron gestoßen, Textildiskonter wie Primark oder Forever 21 ziehen mit noch billigerer Kleidung junge Kunden ab. Die Ratlosigkeit von H&M schlägt sich in den Zahlen nieder. Im Frühjahr 2018 hat der Textilriese den niedrigsten Gewinn seit über zehn Jahren eingefahren, viele machen dafür den späten Einstieg ins Onlinegeschäft verantwortlich.

& Other Stories hat eine amerikanische Aktivistinnengruppe Slogan-T-Shirts entwerfen lassen.
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"H&M muss sich entwickeln, sonst geht es ihnen wie den Benettons, die in den 1980er-Jahren so erfolgreich waren", meint Strähle von der Uni Reutlingen. Er glaubt aber, "dass das Unternehmen begriffen hat, dass das Konzept der Überproduktion nicht mehr funktioniert". Das versucht auch H&M-Chef Karl-Johan Persson in Interviews zu vermitteln. Gegenüber dem deutschen Magazin Stern kündigte er im März an, aus dem Konzern den "Tesla für Mode" zu machen. Mit dem Komplettrecycling aller Textilfasern wolle man in Sachen Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle im Fast-Fashion-Business einnehmen. Wachstum verspricht sich Persson vor allem von den Hausmarken Cos, Arket oder & Other Stories. Es sieht aus, als laste auf den "Give A Damn"-Shirts einige Verantwortung. (Anne Feldkamp, RONDO, 7.9.2018)

Häppchenweise H&M

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Arket
Der erste Shop eröffnete im Sommer 2017 in London, mittlerweile gibt es Filialen in Brüssel und München mit angeschlossenem Café. Arket richtet sich an Hedonisten, die mit gutem Gewissen konsumieren wollen und bereit sind, 200 Euro für eine Lederhandtasche zu zahlen. Die Marke gibt sich nachhaltig, ohne sich lästigen Ökostandards zu verpflichten. In Österreich bislang nur online zu haben.
www.arket.com

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Nyden
Instagram und Influencer, rüber zu Nyden. Die 2018 gegründete Marke soll eine Online-Anlaufstelle für Millennials werden: Dafür setzt das Unternehmen auf Social Media. Zuletzt wurden Influencer engagiert, die ihre Follower über die Designs abstimmen ließen. 2019 soll es dann Stücke geben, die der FC-Bayern-Spieler Jérôme Boateng (auf Instagram 5,8 Millionen Follower schwer) entworfen hat.
www.nyden.com

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Monki
In den Kampagnen wird mit Vaginas und nichtretuschierten Frauenkörpern geworben, in den Shops gibt's Umkleidekabinen in Regenbogenfarben. Monki, seit 2008 Bestandteil des H&M-Portfolios, soll engagierte weibliche Teenager, Twentysomethings und alle, die sich wie solche fühlen, abholen. Kommt offenbar auch in Österreich an. Im Donauzentrum Wien eröffnet am 13. 9. die zweite Filiale.
www.monki.com

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Weekday
Die Marke Weekday ist ein Kind ihrer Zeit: Das Label wurde 2008 gegründet. Damals verbreiteten Modebloggerinnen den skandinavischen Minimalismus. Bei Weekday gibt es die Ausgehuniform für Hipster, die nicht auffallen wollen, inklusive Fila-Sneaker und Cheap-Monday-Jeans (der Denim-Spezialist wurde auch von H&M übernommen). Der Shop auf der Mariahilfer Straße wurde 2016 eröffnet.
www.weekday.com

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H&M Home
2009 hat der große schwedische Möbelhersteller mit den vier Buchstaben von H&M Konkurrenz bekommen – zumindest auf Accessoire-Ebene. Seither gibt es bei H&M (in vielen Fällen gleich neben der Modeabteilung) Bettwäsche, Kerzenständer, Handtücher zu H&M-Preisen. Das Geschäft mit dem Kleinkram für zu Hause soll nicht der Konkurrenz von Zara überlassen werden.
www.hm/home

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Cos
Der alte Hase unter den H&M-Marken. Beglückt seit 2007 Frauen, Männer, Kinder mit minimalistischer Mode. Bedient mit körperfernen Silhouetten weniger Trends als Fans zeitloser Mode. Auch Designliebhaber kommen auf ihre Kosten: In vielen Shops gibt es Sofas, Sessel, Kleinkram des dänischen Labels Hay. Funktioniert sogar in Ländern, die die Tracht hochhalten: fünf Filialen in Österreich.
www.cosstores.com