Ibrahimovics Kapitäns-Nachfolger Andreas Granqvist setzt auf Bodenständigkeit

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Stockholm – Vorbei sind die Zeiten, in denen bei Schwedens Fußball-Nationalmannschaft alles von einer schillernden Persönlichkeit überstrahlt wurde. Seit dem Abgang von Zlatan Ibrahimovic hat bei Österreichs Donnerstag-Testspiel-Gegner eine gewisse Nüchternheit und Bodenständigkeit Einzug gehalten, die vor allem durch Ibrahimovics Kapitäns-Nachfolger symbolisiert wird: Andreas Granqvist.

Im Lebenslauf des Innenverteidigers scheinen keine europäischen Top-Klubs auf. Granqvists Karriere begann bei seinem Heimatverein Helsingborg, danach ging es über Wigan, Groningen und Genoa zum FK Krasnodar. Seit diesem Sommer ist der 33-Jährige wieder bei Helsingborg engagiert – in der zweiten schwedischen Liga.

Dabei zeigte der Abwehrspieler bei der WM in Russland, dass er durchaus zu Höherem befähigt wäre. Als Fels in der Defensive erzielte er im ersten Gruppenspiel per Elfmeter das Goldtor zum 1:0-Sieg über Südkorea und wurde zum "Man of the Match" ernannt. In der abschließenden Partie von Pool F war Granqvist beim 3:0 gegen Mexiko neuerlich aus einem Penalty erfolgreich. Während Deutschland als Letzter ausschied, schloss Schweden die Gruppe als Erster ab und schaffte es mit einem 1:0 über die Schweiz bis ins Viertelfinale.

Granqvist wird im WM-Playoff zum Retter

Das überraschend gute Abschneiden der Skandinavier wäre ohne Granqvist nicht möglich gewesen. Der Routinier gilt abseits seiner sportlichen Qualitäten als bescheidener Teamplayer, der das Wohl der gesamten Truppe weit über das eigene Ego stellt. Nachdem er beim 0:0 im WM-Play-off-Rückspiel gegen Italien zweimal auf der Linie gerettet hatte, meinte Granqvist lapidar: "Ich hatte Glück, ich wurde zweimal angeschossen. Gratulation an die Mannschaft, sie hat sich das WM-Ticket verdient."

Seine Heldentaten gegen Italien brachten dem 1,93-Meter-Hünen mit Spitznamen "Gran" (Tanne) im vergangenen November die Auszeichnung zu Schwedens Fußballer des Jahres ein. Auf diesen Preis hatte in den Jahren davor Ibrahimovic ein Abonnement gehabt. Als der Altstar im WM-Vorfeld immer wieder mit einer Team-Rückkehr kokettierte, zog er sich den Unmut der Nationalspieler zu – und Granqvist sprach ihn als erster aus. "Zlatan sollte endlich erklären, was er wirklich will", fauchte der Innenverteidiger im April aus Ärger über den Eiertanz des Exzentrikers.

WM-Viertelfinale statt Geburt der Tochter

Der Abwehrchef stellt sich stets in den Dienst der Mannschaft. Den ultimativen Beweis dafür lieferte er bei der WM ab: Seine Frau brachte nur wenige Stunden vor dem WM-Viertelfinale gegen England die zweite gemeinsame Tochter auf die Welt. Prompt gab es Befürchtungen, der stolze Vater könnte kurzfristig in die Heimat jetten, doch es kam anders.

Die Geburt der kleinen Mika erlebte Granqvist zwar live mit, allerdings in Russland via Facetime – seine Gattin hatte ihm erlaubt, von einer Heimreise abzusehen. Danach riefen gerührte Fans via Twitter zum Spenden "für den weltgrößten Blumenstrauß für Frau Granqvist" auf. Binnen weniger Stunden kamen über 3.000 Euro zusammen, woraufhin die Aktion gestoppt und beschlossen wurde, das Geld einem wohltätigen Zweck zugutekommen zu lassen.

Genützt hat Granqvists Verbleib den Schweden allerdings nicht: Das Duell mit England ging 0:2 verloren. (APA, 4.9.2018)