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Eine grundlegende Frage: Mit Schere oder Maschine?

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Es sind unendlich traurige Blicke, die einen beim Eintreten müde streifen. Der Friseur raucht und trinkt Kaffee mit einem Freund. Der Freund raucht und blickt ebenfalls niedergeschlagen. Aus dem Kofferradio plärren melancholische türkische Schlager. Der Friseur hebt fragend sein Kinn: "Haare schneiden?" Ja. Er nickt resigniert. Er hat das schon geahnt. "Bissi warten."

Eine Zigarette kann lange dauern. Inzwischen sucht man sich eine passende Richtstätte. Man möchte nicht ungeliebt im Lokal herumstehen. Der Friseur schaut missbilligend. "Anderer Stuhl?" Seine Augen sagen alles. Okay, anderer Stuhl. Der Friseur spricht nicht gern.

Rauhaardackel am Kopf

Die Haare versuchen jetzt, sich diskret in die Kopfhaut zurückzuziehen. Eigentlich würde man es noch eine weitere Woche mit dem Rauhaardackel auf dem Kopf aushalten. Das sind Hunde, die aufgrund ihrer Ausgeglichenheit gern in Therapien gegen Depressionen eingesetzt werden. Hier hätten sie keine Chance.

Es ist ohnehin zu spät. Man bekommt seinen Umhang sehr, sehr eng um den Hals geschnürt. Es ist aus. Besser wird es im Leben nicht mehr werden. Das Kinn des Friseurs hebt sich im Spiegel fragend. "Kurz, bitte." Mein Gott, dem Mann kann man nichts vormachen, er hat es ohnehin schon immer gewusst.

"Mit Maschine?" Klar, kein Problem. Ehrlich nicht. Haben Sie schon einmal ein Video über die Schafschur in Neuseeland gesehen? Richtig. Es geht schnell. Die Tiere überleben es. Auch ich werde hier lebend rauskommen. Nur noch zehn Minuten!

"Wie geht?" – "Schlecht."

Ein zweiter Kunde betritt das Geschäft: "Wie geht?" Der Friseur: "Schlecht." Der Kunde: "Wieso?" Der Friseur: "Arbeit." Der Kompagnon des Friseurs ist heute übrigens nicht da. Wem das alles zu kuschelig ist: Noch härter ist es, wenn sie im Duo antreten.

Alle heiligen Zeiten, wenn der Dackel auf dem Kopf genügend lange gejuckt hat, gehe ich in der Wiener Straße der Friseure in Fünfhaus in diese Oase der miesen Laune. Weil, warum: Wenn man wieder raus ins Freie tritt, geht es einem tatsächlich besser. Das Leben, das man führt, ist ein gutes Leben. Eine schreckliche Vorstellung: fröhliche Zahnärzte – und geschwätzige Friseure. (Christian Schachinger, 4.9.2018)