Leider zu oft an der Grenze der Parodie angesiedelt: das Album "Echt gute böse Lieder" des Wiener Musikers Sir Tralala.

Foto: Ursula Röck

Die Selbsteinschätzung steht als Albumtitel auf dem Cover: Echt gute böse Lieder. So heißt das am Freitag erscheinende neue Album von Sir Tralala. Dem Künstlernamen des Wiener Musikers ist bereits eine verspielte Neigung abzulesen, das Cover löst diese Verheißung unverzüglich ein. Es ist einem Werk von Hieronymus Bosch nachempfunden und bemüht den Mittelteil von dessen berühmtem Triptychon Der Heuwagen. Doch anstelle einer gewaltigen Heuladung liegt das Haupt Sir Tralalas auf dem Boden. So als würde der Riese Bumbum eben von den Millimandln abreisefertig gemacht. Lediglich das Blutbad am Halse sowie die zerbrochene Hornbrille weisen darauf hin, dass es auf dem Album nicht unbedingt kindsbeschaulich zugeht.

David Hebenstreit

Die Lieder heißen Du liebe Sau, I sauf oder Hundsblues. Ihre zum Teil ordinäre Sprache konterkariert Sir Tralala mit lieblichem Kindergesang, der in Stirb langsam morbide Mantras vorträgt.

Auf dem Weg zum Friedhof

Sir Tralala heißt eigentlich David Hebenstreit. Er ist 1978 in Wien geboren und in Kärnten aufgewachsen. 2004 veröffentlichte er sein Debütalbum Flying Objects, They Don't Have a Brain. Das fiel mit einer Coverversion von Nick Caves The Mercy Seat auf. Seit damals ist der Sir zu einem umtriebigen Musiker der heimischen Independentszene geworden. Er spielte mit Naked Lunch oder Soap & Skin und soll auf über 30 verschiedenen Alben mitgewirkt haben. Nach längerer Pause im Dienste anderer veröffentlicht er nun wieder ein Soloalbum. Selten passt dieser Begriff so gut wie hier, denn von wenigen Tonspuren abgesehen hat Hebenstreit das Album tatsächlich im Alleingang eingespielt.

Echt gute böse Lieder beginnt mit schweren Zeichen. Sir Tralala adaptiert dafür The Wayfaring Stranger. Das ist ein Traditional, das der amerikanische Countrysänger und Schauspieler Burl Ives bekannt gemacht hat und das heute in hunderten Versionen existiert. Sir Tralala fügt denen eine hinzu: Der uroide Wanderer. Das ist ein rachitischer Countrysong auf dem Weg zum Friedhof. Die Geige fiedelt, und das Banjo verleiht dem Lied jene archaische Anmutung, wie man sie aus Soundtracks von Filmen über den US-Süden und seine Hinterwäldler kennt.

Knieweicher "Wondara"

Doch schon im Opener taucht ein Problem auf, das sich fast durchs ganze Album zieht: Es ist Hebenstreits Gesang. Die existenzielle Schwere des Sujets vermag er damit einfach nicht umzusetzen. Vielleicht liegt es am zur Verniedlichung neigenden Kärntner Idiom, das seinen Wanderer nur als knieweichen "Wondara" erscheinen lässt.

Tralala gibt auf dem Album diversen Vorbildern nach und schlüpft in die Rolle des Tom Waits aus der Vorstadt. Das liegt durchaus im Trend, der Rausch und sein Ende in der Gosse haben immer Saison. Man denke nur an Voodoo Jürgens, dessen Image ebenfalls mit Hochprozentigem aus der Biertaufe gehoben wurde.

Tralala hinkt da als Schluckspecht hintennach. Vielleicht sind die Liveauftritte schuld, bei denen seine Zwischenansagen mitunter zarten Kabarettcharakter besitzen, sodass man ihm nicht einmal den Minimundus-Waits abnimmt. Die schwere Zunge, die er im Lied I sauf bemüht, klopft ebenfalls eher an die Tür des Kabarett Niedermair als an jene des Nachtasyl. Das ist schade, denn der Text ist nicht schlecht, die Musik, ein stehend k. o. vor sich hinrumpelnder Juke-Joint-Blues, ebenfalls nicht. Doch der Funke zündet nicht.

Brennender Matrosenanzug

Dasselbe lässt sich über den Hundsblues sagen. Das ist ein in Richtung Lärm schielender Song mit derbem Text, super, aber der Gesang klingt wieder eher nach stimmbrüchigem Sängerknaben, der gerade seinen Matrosenanzug verbrennt. Er besitzt ebenso wenig Überzeugungskraft wie das Schlagzeug in dem Lied. Da stößt das Projekt Soloalbum an seine Grenzen. Ein richtiger Drummer mit harten Oberarmen und standesgemäßen Rückenschmerzen hätte diesem Lied womöglich zu höherem Ansehen verholfen.

Dass es besser geht, beweist Tralala umgehend. In der Mitte des neun Lieder umfassenden Albums taucht der Song Schiach auf. Der ist nahezu perfekt, wirkt also fast fremdkörperlich auf Echt gute böse Lieder. Es ist eine knapp dreiminütige Aufzählung von Dingen, die auf der Welt gerade falsch laufen. Tralala beschreibt feiste Geldschweine – "Schmusen gibt's net, es wird nur g'fickt" – und wächst mit Schaum vorm Munde über sich hinaus. Sogar der parodistisch kontaminierte Gesang wirkt hier stimmig, und die Gitarre dröhnt anlassbedingt fies, passt.

Obwohl der Song heavy ist, wirkt er leicht und befreit. Allen anderen Liedern merkt man die viele Arbeit dahinter so sehr an, das Bemühen, die Tüftelei. Das sind alles ehrwürdige Eigenschaften, aber sie gehen auf Kosten eines Gefühls, das das Album definieren könnte. Man merkt, da kann einer viel, aber er will zu viel, und man spürt, dass man zu wenig spürt.

Der Pressetext zitiert Hebenstreit mit dem Satz "Die Texte sind teilweise wirklich böse, die Absicht dahinter ist eine gute". Ein gut gemeintes Album – das ist es am Ende. (Karl Fluch, 5.9.2018)