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Die alte Universität Wien (heute der Sitz der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) war – wie hier in der Nacht vom 13. auf den 14. März 1848 – ein Hauptschauplatz der revolutionären Ereignisse.
Lithographie: R. Swoboda, picturedesk.com

Am Nachmittag des 13. März 1848 wurden die ersten Schüsse abgefeuert. Stunden zuvor hatten Demonstranten, unter ihnen zahlreiche Studenten und Universitätsangehörige, im Hof des Niederösterreichischen Landhauses in der Wiener Herrengasse ihre radikalen Reformforderungen verlautbart. Wenig später wurde der 18-jährige Student Karl Heinrich Spitzer vom herbeigerufenen Militär getötet.

An jener Adresse, wo vor ziemlich genau 170 Jahren die ersten tödlichen Schüsse des Revolutionsjahrs 1848 fielen, wurde am Montagabend – originellerweise um 18.48 Uhr – die Ausstellung "Die vergessene Revolution" feierlich eröffnet. Heute heißt das Landhaus in der Wiener Innenstadt Haus Niederösterreich und zeigt in seinem vorderen Trakt ab sofort eine kleine, aber fein gemachte Schau, die vom Staatsarchiv-Generaldirektor Wolfgang Maderthaner in Kooperation mit dem Verein zur Geschichte der Arbeiterbewegung und dem Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich kuratiert wurde.

Hinter dem Marschall-Balkon im Haus Niederösterreich in der Herrengasse ist die Ausstellung "Die vergessene Revolution" zu sehen. Unmittelbar davor starben vor 170 Jahren die ersten Revolutionäre.
Foto: Museum Niederösterreich

Großes Publikumsinteresse

Deren Titel erschien bei der Eröffnung allerdings nicht ganz passend, denn von "Vergessen" konnte keine Rede sein: Viel Politprominenz und hunderte Interessierte waren gekommen, weil sie mehr darüber erfahren wollten, was sich in diesem Revolutionsjahr ereignete.

Das lässt sich in der Ausstellung in den beeindruckenden historischen Räumen, die allein schon den Besuch wert sind, anhand der textlastigen "Chronologie der Ereignisse" nachlesen: Die lange Zeitleiste beginnt am 11. Jänner 1848 mit den Brotrevolten des Vormärz und endet am 6. Dezember mit der Auflösung der demokratischen Vereine.

Ein Teil der Ausstellung ist in der historischen Verordnetenratsstube untergebracht.
Foto: Museum Niederösterreich

Ein fehlendes Monument

Das letzte Bild zeigt jenen Obelisken, der seit 1888 auf dem Wiener Zentralfriedhof an den 13. März 1848 erinnert. Zwar tut das in Wien auch der Märzpark bei der Stadthalle oder die Märzstraße in Rudolfsheim-Fünfhaus und Penzing. Ein zentrales Denkmal für 1848 fehlt aber, moniert Wolfgang Maderthaner, obwohl es sich bei der Revolution 1848 "immerhin um die vergessene Grundlage unserer heutigen Gesellschaft" handle. Und es stimmt schon: Nicht nur im öffentlichen Raum, auch im kollektiven Gedächtnis sind die dramatischen Ereignisse vor 170 Jahren kaum präsent.

Das hat womöglich auch damit zu tun, dass es in den vergangenen Jahrzehnten die FPÖ, deutschnationale Burschenschaften und andere Studentenverbindungen waren, die das Jahr 1848 als legitimierendes Symbol für sich reklamierten. Freilich: Die meisten einschlägigen (und schlagenden) Verbindungen, die sich auf die Revolution von 1848 berufen sollten, waren damals längst noch nicht gegründet.

Diese Barrikade nahe der damaligen Universität in der Wiener Innenstadt war eine von vielen, die am 26. Mai 1848 von den revolutionär und großdeutsch eingestellten Studenten errichtet wurden.
Illustration: F. Werner, gemeinfrei

Unbestritten ist, dass bei den revolutionären Ereignissen in Wien die Studenten die treibende Kraft hinter der Revolution waren. Ihr umfangreicher Forderungskatalog wurde am 12. März Kaiser Ferdinand I. übergeben. Tags darauf demonstrierten Studenten und bürgerliche Revolutionäre in der Wiener Innenstadt, um ihren Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen – eben auch im Niederösterreichischen Landhaus. Als die Situation zu eskalieren drohte, eröffnete das Militär das Feuer auf die zum größten Teil unbewaffneten Demonstranten.

Kurz erfüllte Forderungen

Weitere Aufstände der Arbeiter in den Vorstädten drohten. In der folgenden Nacht griffen sowohl das Bürgertum als auch die Studenten zu den Waffen und bildeten ein bewaffnetes Freikorps zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung; die Studenten fügten sich mit ihrer Akademischen Legion in diese Garde ein. Am 15. März gab der Kaiser den Forderungen der Revolutionäre nach. Ein unmittelbares Resultat war die Gründung des Unterrichtsministeriums.

Die am 25. April präsentierte neue Verfassung brachte für die Studenten eine Enttäuschung, weitere Demonstrationen folgten. Am 24. Mai musste die Uni Wien ihre Tore schließen, in den folgenden Tagen wurden in der Innenstadt mehr als 100 Barrikaden errichtet, womit es den Revolutionären sogar gelang, das Militär aus der Stadt zu vertreiben.

Screenshot der Online-Ausstellung mit den 160 Barrikaden Wiens.
Foto: VGA

Der Erfolg währte aber nicht lang. Nachdem sich die revolutionären Gruppen gespalten und damit geschwächt hatten, wurde die Revolution im Oktober blutig niedergeschlagen.

Neuerungen trotz Niederlage

Während das Jahr 1848 für die revolutionären Studenten letztlich eine Niederlage brachte, folgte in den Jahren danach für die Universitäten und die Wissenschaft in Österreich eine Phase grundlegender Neuerungen und wichtiger Institutsgründungen – wie etwa der Geologischen Reichsanstalt (1849) oder der Zentralanstalt für Meteorologie und Erddynamik (1851).

Hinter die bereits im April 1848 deklarierte Lehr- und Lernfreiheit wurde nicht mehr zurückgewichen. Dank der nachrevolutionären Reformen von Ministers Leo Thun-Hohenstein wurden in kürzester Zeit die wichtigsten Voraussetzungen für die moderne Universität geschaffen, unter anderem die Verbindung von Forschung und Lehre, verfassungsmäßig festgeschrieben wurden sie zum Teil zwar erst 1867. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte die beste Zeit für die Wissenschaft in Österreich bereits begonnen. (Klaus Taschwer, 5.9.2018)