"Warum haben Sie nicht die Straßenseite gewechselt?", will der Anwalt des Klägers wissen.

Foto: Christian Fischer

In Österreich ist es ja eine Seltenheit, dass PolitikerInnen für diverse Aussagen die Verantwortung übernehmen oder zur Verantwortung gezogen werden. Dass Efgani Dönmez relativ schnell des ÖVP-Klubs verwiesen wurde, hat daher fast schon positiv überrascht. Doch angesichts des tiefen Tweets über die deutsche Politikerin Sawsan Chebli (SPD) und der Tatsache, dass der Verfasser ein öffentliches Amt bekleidet, ist es das Mindeste. Erst recht, nachdem er erst im Nachhinein gemerkt haben will, dass der Tweet sexistisch ist, um später seine krude Erklärung kundzutun, dass er eben doch nicht sexistisch ist.

Die Entscheidung der ÖVP ist natürlich richtig, gleichzeitig gewinnt sie keine Sekunde mehr an Glaubwürdigkeit dahingehend, dass ihr der Kampf gegen Sexismus ein Anliegen wäre. Seit Monaten agiert sie gegen Frauen, wo sie nur kann, zerstört feministische Projekte und macht so Aussagen wie die von Dönmez ein Stückweit wieder salonfähig. Oder besser: noch salonfähiger. Denn, und das ist das wirklich Erschütternde an dem Tweet von Dönmez: Politiker wähnen sich offenbar in einem Umfeld, in dem es völlig normal zu sein scheint, einer Kollegin zu unterstellen, sie hätte sich hochgeschlafen, schöne Beine oder was auch immer, und erwarten sich auf so etwas Lacher und Zwinker-Zwinker-Emojis mit rausgestreckter Zunge.

Meldungen, wie sie alle Frauen kennen

Diese Erwartung kommt ja nicht von irgendwo. Würden Sprüche solcherart nicht noch immer belustigen oder wohlwollend als "ironisch gemeint" tituliert werden, wäre es damit wohl schon lange vorbei. Womit wir bei Sigi Maurer sind, die im Prozess gegen sie wegen übler Nachrede von sexistischen Sprüchen erzählte, die ihr immer wieder vor einem Lokal herumstehende Männer hinterherriefen.

Sie riefen ihr Meldungen der Art hinterher, erzählt sie, die jede Frau kennt und die wohl fast alle Frauen oft ausweichen oder sogar die Straßenseite wechseln lassen, wenn mehrere Männer beieinander stehen und sie an ihnen vorbeimüssen. Genau das schien der Anwalt des Klägers am Dienstag im Prozess gegen Maurer zu erwarten: Frauen könnten schließlich ausweichen. Wohlgemerkt in einem Prozess gegen Maurer, weil diese den Namen des vermeintlichen Verfassers einer extrem sexuell herabwürdigenden Facebook-Nachricht nannte, während eine solche Nachricht zu verschicken keine strafbare Handlung ist. Noch so eine österreichische Spezialität.

Schmäh führen

Der Privatanklagevertreter stellte also im Prozess die Frage in den Raum, warum sie denn nicht die Straßenseite gewechselt habe. Und stellte weiter fest, dass Maurer also, obwohl sie ein mulmiges Gefühl hatte, "dort weitergegangen" ist.

Fassen wir zusammen: Wir haben einen Politiker, der öffentlich völlig ungeniert auf die Knie einer Kollegin auf die Frage hin verweist, wie sie wohl auf einen Posten gekommen ist. Eine derart offenkundig dumpfe sexistische Aussage völlig unbedarft ins Netz zu tippseln lässt nur erahnen, welcher Ton angeschlagen wird, wenn man "unter sich" ist. So unter sich wie die Herrenrunden vor jenem Lokal, an dem Maurer und andere Frauen vorbeimussten. Man habe nur "Schmäh geführt, aber nichts Obszönes", sagte einer der Zeugen bei dem Prozess.

Wo dieser Schmäh aufhört und das "Obszöne" beginnt, da liegen die Wahrnehmungen noch kilometerweit auseinander. (Beate Hausbichler, 4.9.2018)