Mitten in Wien, zwischen Karlsplatz, Kunsthalle, Secession und Getreidemarkt, auf dem Weg zum Schillerplatz, befindet sich der Esperanto- und Girardipark, eine Verkehrsfläche mit Bäumen, Rasenfläche und Bodenpflasterungen. Diejenigen, die schon mal bei der Dritte-Mann-Tour mitgemacht haben, haben diese Insel auch schon im Stadtplan nachgeschlagen beziehungsweise auch bewusst betreten. Für die meisten von uns ist sie, um ins Fachjargon zu wechseln, eine transitorische Fläche. Das bedeutet wir gehen darüber um von A nach B zu gelangen, ein längerer Aufenthalt ist hier nicht vorgesehen. In Zeiten von wachsender Stadt, steigenden Mieten und Bodenpreisen sowie steigendem Nutzungsdruck der Freiräume ist es umso wichtiger sich diese wertvollen Flächen anzueignen, ihnen eine symbolische Bedeutung zuzuschreiben und sie zu nützen.

Willkommensgrüße im Wiener Resort.
Foto: Kollektiv Raumstation
Fischen im Verkehrsfluß.
Foto: Kollektiv Raumstation

Von Urlaubsbussen zum Urlaubsfeeling

Das dachte sich auch das  Kollektiv Raumstation, als sie diese Fläche Anfang 2017 entdeckten und im Rahmen des "Operngassenforschungslabors" von Architekturstudentin Simone Schwaiger zu beforschen begannen. Das erste, was ihnen hier auffiel, waren die Reisebusse mit riesiger Urlaubswerbung, die einerseits die Sicht versperrten, andererseits aber auch ein Urlaubsgefühl auf dieser Insel boten und vermittelten. Schnell wurden die umliegenden, mehrspurigen Straßen als Kanäle und als Meer gedacht, und die Idee wurde geboren, die Fläche zu einem Inselresort umzuwandeln und somit mehr Menschen hierher zu locken.

Das Kollektiv Raumstation gibt es schon seit fünf Jahren. Die urbanistische interdisziplinäre Gruppe versucht mittels spielerischen Zugängen städtische Räume anders wahrzunehmen, Geschichten zu sammeln und wiederzugeben und neue Sichtweisen auf scheinbar bekannte (öffentliche) Räume anzuregen. Zwischen Weimar, Wien und Berlin diskutieren sie in mehreren Gruppierungen über den Sinn und die Sinnlosigkeit der Aktionen im öffentlichen Raum, über den Nutzen, aber auch über die Nachhaltigkeit und die Beziehungen zu den Menschen.

Kollektiv Raumstation

Urlaub im Winter. Und Frühling.

Das erste Verkehrsinselresort in Wien fand im Dezember 2017 mit allem, was so ein Resort zu bieten hat, statt. Trotz Kälte und schlechtem Wetter wurde das volle Programm durchgezogen: An der Insel angekommen, gab es an der Rezeption ausreichend Information, was alles wann passiert. Saunalandschaft und Winterjacken-Yoga, Schilfgürtel-Safari und Pauschalreise, Rodeln und Wattwanderung, Bademeister auf dem Aussichtsturm und Fischer an dem anliegenden Verkehrsstrom, geführte Touren in die Unterwelt und die Höhlen der Insel, Auftritt vom Subchor und vieles mehr, all das verwandelte diesen transitorischen Raum in eine Bühne, wo jede und jeder Vorbeikommende teilnehmen konnte. Verspielt, temporär und immer mit einem Augenzwinkern bekam diese Fläche eine andere Bedeutung.  Bei etwas angenehmeren Temperaturen wurde das Verkehrsinsel-Resort am 5. Mai 2018 erneut ausgerufen.

Ablöse der Bademeister im Resort.
Foto: Kollektiv Raumstation
Yoga auf der Insel.
Foto: Kollektiv Raumstation

Was blieb sind die Audiotouren über die Geschichten und die besonderen Menschen der Insel. Diese nehmen Bezug auf Denkmäler und Namen, die man hier auf der Insel findet. Sehr gründlich recherchiert und mit ein bisschen Kreativität und Fantasie ergänzt, wurden diesem Ort auf eine sehr spannende Art und Weise verschiedene Bedeutungen zugewiesen. Mal humorvoll mal dramatisch, jedes der Narrative erzählt eine besondere reale und weniger reale Geschichte.

Balkonien hat ausgedient, jetzt ist es an der Zeit, die Audiotours herunter zu laden und sich auf die Insel zu begeben. Nein, nicht die Donauinsel, die Verkehrsinsel im Esperanto- und Girardipark! (Amila Sirbegovic, 10.9.2018)