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Die der Terrororganisation Al Kaida nahestehende Agentur Ibaa veröffentlichte am Mittwoch Bilder, die die Auswirkungen von Luftangriffen zeigen sollen.

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Einwohner der Provinz Idlib löschen Feuer nach mutmaßlichen Luftangriffen der russischen Luftwaffe.

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Idlib – Die syrische Armee hat Beobachtern zufolge die letzte Rebellenhochburg Idlib im Nordwesten des Landes angegriffen. Granaten seien in der Nacht und am Mittwochmorgen in der Umgebung von Jisr al-Shughur im Westen der Provinz eingeschlagen, teilte die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.

Dieser Landstrich war nach Angaben der Organisation, von Rettungskräften und Rebellen bereits am Dienstag Ziel von Angriffen der russischen und der syrischen Luftwaffe. Die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle stützt sich auf ein Netz von Informanten in Syrien.

Brücke gesprengt

Rebellen sprengten demnach eine weitere Brücke, um einen Vormarsch der Regierungstruppen zu erschweren. Nach Angaben aus regierungsnahen Kreisen in der syrischen Hauptstadt Damaskus wird derzeit eine Offensive auf Idlib vorbereitet. In den vergangenen Jahren wurden hunderttausende Rebellen und Extremisten nach ihrer militärischen Niederlage aus anderen Rebellengebieten Syriens in die Provinz gebracht.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der am Freitag mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin und Irans Präsident Hassan Rouhani in Teheran beraten will, warnte vor einem Angriff auf die Provinz Idlib. Dies würde zu einem Massaker führen, sagte Erdogan der türkischen Zeitung "Hürriyet" zufolge. Russland und Iran unterstützen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad im Kampf gegen die Rebellen. Die Türkei ist besorgt, weil die Stadt Idlib nur wenige Kilometer von der türkisch-syrischen Grenze entfernt liegt.

Warnung

Angesichts des befürchteten Angriffs auf Idlib haben die USA eine scharfe Warnung an das Assad-Regime gerichtet. Falls die syrischen Truppen erneut Chemiewaffen einsetzen sollten, würden die USA und ihre Verbündeten darauf schnell und "in angemessener Weise" reagieren, erklärte das Weiße Haus am Dienstag in Washington.

Man beobachte die Situation in Idlib genau, sagte eine Sprecherin von US-Präsident Donald Trump. In Idlib seien Millionen unschuldiger Zivilisten von einer Attacke durch das Regime von Baschar al-Assad bedroht. Das russische Verteidigungsministerium hatte allerdings Rebellen schon mehrmals vorgeworfen, Chemiewaffenangriffe vorgetäuscht zu haben.

Uno warnt vor Katastrophe

Auch die Vereinten Nationen warnten vor der größten humanitären Katastrophe im 21. Jahrhundert. Die Welt dürfe nicht "schlafwandlerisch" in diese Krise gehen, sagte UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock am Dienstag in Berlin angesichts der geschätzten drei Millionen Zivilisten in der Provinz im Nordwesten des Bürgerkriegslandes. Derweil wurde die Region Menschenrechtlern und Rebellen zufolge von dutzenden russischen Bombardements getroffen, die eine Bodenoffensive vorbereiten sollen.

In New York kündigte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen an, der UN-Sicherheitsrat werde sich noch in dieser Woche mit der erwarteten Offensive auf Idlib befassen. Ein entsprechendes Treffen sei für Freitag angesetzt. "Idlib ist ernst", sagte Haley. "Das ist eine tragische Situation." Auch bei zwei weiteren Sitzungen werde sich der Rat in diesem Monat mit dem Konflikt in Syrien beschäftigen.

Letzte große Rebellenhochburg

Die Region im Nordwesten Syriens ist das letzte große Gebiet des Bürgerkriegslandes, das noch von Rebellen beherrscht wird. Dominiert werden diese von dem Al-Kaida-Ableger Haiat Tahrir al-Scham (HTS), der früheren Al-Nusra-Front. Syriens Regierung hat Truppen zusammengezogen und droht mit einem Angriff zusammen mit ihren Verbündeten Russland und Iran.

Das Nachbarland Türkei, das im Falle einer Eskalation Flüchtlingsströme in Richtung seiner Grenze befürchtet, brachte einem Medienbericht zufolge weiteres Kriegsgerät in die Grenzregion. Idlib liegt nur etwa 30 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Die Türkei unterhält in der Provinz Beobachtungsposten und ist Schutzmacht einer Deeskalationszone.

Russische Luftangriffe

Russische Kriegsflugzeuge hatten am Dienstag der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge etwa 40 Luftangriffe in 20 Gebieten Idlibs geflogen. Dabei seien mindestens zwölf Zivilisten getötet worden. Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach davon, dass sich in der Provinz "das nächste Terroristennest gebildet" habe. "Wir wissen, dass die syrischen Streitkräfte sich darauf vorbereiten, das Problem zu lösen", sagte er der Agentur Interfax zufolge. Ein Datum für die Offensive nannte er nicht.

Der außenpolitische Sprecher der deutschen Grünen, Omid Nouripour, forderte die Europäer auf, die Verantwortung Russlands für das Schicksal der Zivilbevölkerung herauszustellen. "Als Schutzmacht Assads haftet Putin auch für dessen zahlreiche Kriegsverbrechen", sagte er der "Heilbronner Stimme" (Mittwoch). "In Idlib droht die größte Katastrophe des bisherigen Krieges in Syrien. Wenn die UN Assad anflehen, wenigstens auf Chemiewaffen zu verzichten, dann zeigt das die Größe des anstehenden Horrors", warnte Nouripur. Am Montag hatte auch Deutschlands Außenminister Heiko Maas vor einer humanitären Katastrophe gewarnt.

Treffen von Assads Verbündeten am Freitag

Am Freitag wollen Russland und der Iran als Unterstützer der Regierung und die Türkei als Schutzmacht der Opposition über die Krise in Syrien beraten. Beobachter rechnen damit, dass sich dort das Schicksal Idlibs entscheiden könnte.

Unterdessen berichteten syrische Staatsmedien von einem israelischen Luftangriff. Die syrische Flugabwehr habe israelische Raketen abgefangen. Rebellenkreise berichteten, Ziel des israelischen Angriffs sei ein Waffenlager der syrischen Armee und des Verbündeten Iran gewesen. Von israelischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung. (APA, dpa, 5.9.2018)