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Die wichtigste Unterstützerin hat Manfred Weber schon auf seiner Seite: "Ich unterstütze seine Kandidatur" , sagte Kanzlerin Angela Merkel.

Foto: Reuters / Michaela Rehle

Manfred Weber kommt ein paar Minuten zu spät, um vor Journalisten in Brüssel die wichtigste Erklärung seines Lebens als Politiker abzugeben. Als Ort hatte der Fraktionschef der europäischen Christdemokraten die Vorhalle eines Sitzungsraumes im EU-Parlament gewählt.

Dieses sei "das Herz der Demokratie", er sei "sehr stolz ein Parlamentarier zu sein", wird er am Ende sagen, und das noch unterstreichen mit dem Satz: "Ich sehe mich vor allem als Vertreter der Bürger." Obwohl die EU-Wahlen erst Ende Mai 2019 stattfinden werden, schickte Weber sich mit seinem kurzfristig angekündigten Auftritt an, den Wahlkampf zu eröffnen: Als erster Politiker in Europa kündigte er seine Kandidatur um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im kommenden Jahr nun auch offiziell an.

Davor aber wollte (und musste) sich der 46-jährige Deutsche drinnen im Saal erst einmal die entscheidende Rückendeckung aus seiner politischen Familie, der Europäischen Volkspartei, holen. Diese wird bei einem EVP-Wahlparteitag im November abstimmen, wer der gemeinsame Spitzenkandidat sein wird, der im Falle eines Wahlsieges den Anspruch auf das Juncker-Erbe stellen kann. Wie vom STANDARD berichtet, hatte der Fraktionschef deshalb das erste Treffen der 219 EVP-Abgeordneten nach der Sommerpause, die in Straßburg die stärkste Fraktion bilden, ausgewählt, um sie über seine Pläne zu informieren.

Weber gilt in der sehr heterogenen Fraktion, der die EU-kritische Fidesz von Ungarns Premier Viktor Orbán ebenso angehört wie die überzeugtesten EU-Integrationisten aus Luxemburg oder Belgien, als ruhiger, besonnener Mann des Ausgleichs. Er hat wenige Feinde. Freilich könnte es bis Nominierungsschluss am 17. Oktober noch die eine oder andere Kandidatur geben, etwa vom früheren finnischen Premierminister Alexander Stubb. Oder von Brexit-Chefverhandler Michel Barnier, dem aber wenig Chancen gegeben werden: der Franzose ist 67 Jahre alt.

All das weiß der Mann aus Bayern, als er Mittwochmittag vor die Mikrofone tritt, er ist in der Offensive. Sein Sprecher klärt die versammelte Presse noch auf, dass keine Fragen zugelassen seien, dann legt Weber auf Englisch los.

Die Europawahlen 2019 seien in einer schwierigen Ausgangslage ein "Wendepunkt", sagt er, "die EU wird von außen, aber auch von innen attackiert" von Kräften, "die die Integration nicht wollen". Man brauche daher einen neuen Plan, es könne nicht so weitergehen wie bisher. Die Europäer müssten "ihre gemeinsamen Werte verteidigen", in gleicher Weise aber auch "das europäische Lebensmodell", also Demokratie, Wohlstand, Sozialstaat.

Mehr und besseres Europa

Sich selber präsentiert er als überzeugten Europäer, als Kämpfer für das Gemeinsame: "Die Menschen erwarten von uns ein besseres Europa (...). Wir müssen es zusammenhalten." Man könne nicht erlauben, dass die EU gespalten sei. Es dürfe nur ein Europa geben, nicht eines, das in Ost und West, kleine und große Länder, Reiche und Arme, aufteile, "dabei will ich Brücken bauen", sagt Weber, als einer, der die Bürger in den Mittelpunkt stelle.

Ob er das ohne Regierungserfahrung angesichts der Herausforderungen wirklich könne, sei in den vergangenen Wochen viel diskutiert worden, erzählt er, um selber die Antwort zu geben: "Ja, ich bin dazu bereit. Ja, ich will der Spitzenkandidat der EVP sein und Präsident der EU-Kommission werden." Dann geht er ab.

Weber ist vom Typ her eher ein Mann der leisen Töne, der sein Handwerk aber zu Hause, in der CSU gelernt hat. Er kann bestimmt sein, Entscheidungen strategisch lange vorbereiten. Das zeigt sich, als sich wenig später die deutsche Kanzlerin Angela Merkel persönlich zu Wort meldet: "Ich unterstütze die Kandidatur von Weber", erklärt sie in Berlin. Damit dürften alle Spekulationen erledigen, ein anderer Deutscher sei von ihr für den nächsten deutschen Kommissarsposten vorgesehen.

Auch in Österreich hat Weber vorgebaut. Mittwochabend traf er in Wien zu einer zweitägigen EVP-Tagung ein, bei der Bundeskanzler Sebastian Kurz das Hauptreferat hält. Die beiden auch gemeinsam mit "Paradeeuropäer" Othmar Karas auf, der Weber nahesteht. Das alles sei kein Zufall, heißt es in der EVP, es formiere sich gerade eine jüngere Generation von proeuropäischen Christdemokraten, die die proeuropäische Linie der Parteifamilie erneuern und stärken solle. Weber hat bei einer Konferenz in München im Juni in scharfen Worten definiert, wovon man sich deutlich abgrenzen sollte: Rechtspopulisten, die die EU schwächen. (Thomas Mayer, 5.9.2018)