Lernen oder spielen oder beides? Laptops in der Volksschule sollen Standard werden.

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Im STANDARD sind zwei Beiträge zum Thema "Digitale Hilfsmittel im Bildungswesen" erschienen – ein Interview mit Bildungsminister Heinz Faßmann und ein Kommentar von Konrad Paul Liessmann.

Faßmann spricht von den Chancen, die diese Hilfsmittel eröffnen, Liessmann dagegen konstruiert einen Widerspruch zwischen Bildung und Digitalisierung. Faßmann ist (angewandter) Geograf und hat somit selbst erlebt, wie digitale Hilfsmittel ein Fach verändern können; beispielsweise machen geografische Informationssysteme Dinge möglich, an die man vor 25 Jahren noch nicht denken konnte.

Liessmann ist Philosoph, kommt also aus einem Fach, in dem digitale Hilfsmittel bei weitem noch nicht die Rolle spielen wie in manchen anderen Fächern. Es gibt allerdings schon an vielen Universitäten Programme mit dem Titel "Digital Humanities", die sich mit den wesentlich erweiterten Möglichkeiten beschäftigen, die digitale Hilfsmittel den sogenannten Geisteswissenschaften bieten. Liessmanns Fundamentalopposition zu digitalen Hilfsmitteln in der Bildung übersieht viele Möglichkeiten, die diese eröffnen.

Digitale Hilfsmittel

Das SAMR-Modell (Substitution, Augmentation, Modification, Redefinition) stellt einen sehr brauchbaren Bezugsrahmen für eine grundsätzliche Diskussion digitaler Hilfsmittel im Bildungswesen dar.

· Substitution ist einfach das Ersetzen bisher verwendeter Hilfsmittel durch Digitales, beispielsweise E-Books statt gedruckter Schulbücher. Beobachtet man, welches Gewicht Schultaschen von Schulkindern haben können, ist das alleine schon ein positiver Effekt.

· Augmentation beschreibt funktionale Verbesserung durch den Einsatz neuer technischer Möglichkeiten. Im einfachsten Fall können E-Books navigierbare Inhaltsverzeichnisse, Kreuzverweise, Indizes und Glossare haben. Außerdem können Filme, Tondateien und interaktive Beispiele Teile von E-Books sein; damit kann das Lernen von sehr vielen Themen weitaus besser unterstützt werden als mit gedruckten Büchern.

· Modification bedeutet, Aufgabenstellungen werden so modifiziert, dass zum Bearbeiten digitale Hilfsmittel notwendig sind. Im Mathematik-Unterricht kann man beispielsweise mit Tabellenkalkulation Aufgaben bearbeiten, die bei klassischer Stift-und-Papier-Bearbeitung für Lernende zu aufwendig wären. Blogs und Diskussionsforen ermöglichen es, dass die Lernenden Wissen gemeinsam erarbeiten.

· Redefinition schließlich bedeutet, dass völlig neuartige Aufgabenstellungen behandelt werden können. Schüler können zum Beispiel gemeinsam Filme oder Musikstücke erstellen oder auch mit digitalen Hilfsmitteln multimedial Geschichten mit Texten, Bildern, Animationen, Filmen usw. erstellen.

Ausreichende Kenntnisse

Die Digitalisierung geht aber weit über die didaktisch-technischen Aspekte der Unterrichtsgestaltung hinaus.

Die Welt der Jugendlichen ist durch digitale Medien geprägt. Diese Medien aus dem Bildungsprozess auszuklammern bedeutet, Schule von der Alltagsrealität dieser Generation noch weiter zu entfernen, als das ohnehin schon der Fall ist. Wenn man beispielsweise will, dass Schule Kenntnisse vermittelt, wie man Falschnachrichten (Fake-News) erkennt, dann sollte man wohl nicht nur darüber sprechen (im schlimmsten Fall nur als Lehrender dozieren), sondern man sollte konkrete Projekte zu diesem Thema bearbeiten. Dazu sind ausreichende Kenntnisse im Umgang mit digitalen Medien notwendig.

Digitale Medien verändern auch die geschriebene Sprache. Der Kommunikationsstil in sozialen Medien ist ein anderer als der beim Schreiben für gedruckte Medien. Das ist nicht einfach "Kulturverlust", sondern Beleg dafür, dass Sprache mit dem Mitteilungsmedium zusammenhängt. Es gibt mittlerweile interessante Forschungsarbeiten dazu, welche Änderungen da stattfinden. Diese Änderungen betreffen natürlich vor allem jüngere Generationen (also etwa ab 1990 Geborene, die schon von Kindheit an regelmäßig digitale Medien verwenden konnten). Die Generation der selbsternannten "Alten Weisen" sollte da nicht versuchen, ihre Regeln den Jüngeren als die einzige Wahrheit aufzuzwingen.

Möglichkeiten ausloten

Natürlich führt der Einsatz digitaler Hilfsmittel alleine nicht automatisch zur besseren Bildung. Deswegen ist es notwendig, die Möglichkeiten auszuloten und auch die Lehrenden in die Lage zu versetzen zu erkennen, in welchem Kontext welche Hilfsmittel wie eingesetzt werden können, um das Lernen zu erleichtern. Minister Faßmann zeigt in dem Interview, dass er sich dieser Problematik sehr bewusst ist, und betont auch die Notwendigkeit, darauf in der Lehrerausbildung und -fortbildung einzugehen.

Liessmann meint zu Recht, dass Bildung souverän, selbstbestimmt und gestaltend stattfinden sollte. Er behauptet – zumindest implizit -, dass Digitalisierung das be- und verhindere, bleibt aber Belege für diese Behauptung schuldig.

Es ist aber nicht ersichtlich, in welcher Weise gerade diese Kompetenzen an die Verwendung spezifischer Technologie gebunden sein sollen. Etwas zu gestalten heißt heutzutage schon sehr oft, das mit digitalen Hilfsmitteln zu tun. Die dazu notwendigen Fähigkeiten zu erwerben ist Teil eines zeitgemäßen Bildungsbegriffs. (Erich Neuwirth, 5.9.2018)