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1999 gegründet, verdiente das Unternehmen anfangs auch Geld mit Zahlungen für Glücksspiel und Pornografie.

Foto: Reuters/WOLFGANG RATTAY

München – Mit der Commerzbank muss sich ein Gründungsmitglied des prominentesten deutschen Börsenindex aus dem Dax verabschieden. Die Traditionsbank muss ihren Platz im deutschen Leitindex für den Online-Zahlungsabwickler Wirecard räumen, teilte die Deutsche Börse am Mittwochabend mit. Die Commerzbank steigt in den Nebenwerte-Index MDax ab.

Maßgeblich für die Index-Mitgliedschaft sind die Marktkapitalisierung des Streubesitzes und die Aktienumsätze. Wirecard ist mit 23 Milliarden Euro an der Börse derzeit mehr als doppelt so viel wert wie die Commerzbank und beschäftigt rund 4.500 Mitarbeiter – mehr als die Deutsche Bank und mehr als doppelt so viele wie die Commerzbank.

Wer ist Wirecard

Obwohl das bayerische Unternehmen aus der Nähe von München über eine Banklizenz verfügt, handelt es sich um keine klassische Bank. Im Onlinehandel ist das Unternehmen allgegenwärtig, ohne dass es Kunden auffällt. Geld verdient man mit der Abwicklung von digitalen Zahlungen für tausende Firmenkunden. Wirecard liefert dafür Schnittstellen und Infrastruktur – an der Ladenkasse, übers Handy, herkömmliche Computernetzwerke oder Karten.

1999 gegründet, verdiente das Unternehmen anfangs auch Geld mit Zahlungen für Glücksspiel und Pornografie. Diesen Branchen ist man mittlerweile entwachsen, Wirecard kooperiert mit Konzernen wie der Fluglinie KLM, großen Banken sowie dem Kreditkartenanbieter Visa. "Ziel des Vorstands ist es, kraftvoll organisch die Welt zu erobern", verkündete Chef Markus Braun im Frühjahr. Er hat starke Fakten hinter sich: Im ersten Halbjahr flossen Zahlungen von gut 56 Milliarden Euro über die Wirecard-Plattform.

Zusammenarbeit mit IT-Riesen

Wirecard kooperiert mit den IT-Riesen Google und Apple aus den USA sowie Alibaba und Tencent aus China. Wenn chinesische Touristen über das Chatprogramm Wechat hierzulande einkaufen, wickelt Wirecard die Zahlung gegen Gebühr ab. Noch wird der Großteil der weltweiten Zahlungen mit Bargeld beglichen. Doch Innovationen wie Zahlen per Smartphone von unterwegs dürften das mittelfristig ändern. Wirecard-Chef Braun glaubt, dass in den kommenden fünf bis zehn Jahren die gesamte Zahlinfrastruktur im Einzelhandel durch digitale Technologie abgelöst wird.

Shoppingtour in Schwellenländern

In den letzten Jahren hat Wirecard viele Firmen in Schwellenländern wie Südafrika und Indonesien gekauft. Nun soll das Übernahmetempo sinken. Mit dem Kauf des US-Kartendiensts Citi Prepaid ist Wirecard nun auf allen für ihr Geschäftsmodell relevanten Kontinenten vertreten. "Wir werden uns nun auf Wachstum aus eigener Kraft und Innovationen konzentrieren und Zukäufe nur opportunistisch sehen." Im ersten Halbjahr kam fast die Hälfte des Erlöswachstums aus Zukäufen.

Auch Übernahmen hatten Wirecard-Aktien in einen Höhenflug versetzt: Binnen drei Jahren haben sich die Anteile auf fast 200 Euro mehr als verfünffacht. Dabei prallten Vorwürfe wie Bilanzmanipulation und Intransparenz an Wirecard ab, ebenso wie ein dubioser Angriff von Spekulanten 2016, der das Papier zum Absturz brachte. (dpa, red. 6.9.2018)