Mohammed, Aisha, Can und Esra – zwischen fünf und zwölf Jahre alt – leben mit ihren Eltern in einer kleinen Mietwohnung. Während sich die Jungen eine Playstation wünschen, hätten die Mädchen gerne ein eigenes Zimmer. Fatima, die Mama der vier, ist zu Hause und versucht den Kindern so gut sie kann ein glückliches Aufwachsen zu ermöglichen. Doch je älter die Kinder werden, desto schwieriger wird es.

Reinhard und Anja sind die Eltern vom achtjährigen Konstantin und Eric, elf. Für beide Kinder beginnt nach den Ferien wieder die Schule. Eric hat bereits eine Liste bekommen, was er alles braucht. Wie jedes Jahr gehen die Kinder mit der Mutter zum Roten Kreuz und holen dort Schulstartboxen ab. Diese helfen der Familie, die Kosten zu Schulbeginn ein wenig geringer zu halten. Vor allem Eric hofft, dass keiner seiner Schulkollegen ihn dabei sieht und ihn später wegen der Schulsachen auslacht.

Während Elena sich dafür entschieden hat, ihren sechsjährigen Sohn Markus in einer privaten Schule einzuschulen und dafür zu bezahlen, ist Karola darauf angewiesen, dass ihre gleichaltrige Tochter Jennifer ganztägig betreut wird. Obwohl Karola viel arbeitet, geht es sich finanziell selten aus, dass sich die kleine Familie neben all den Notwendigkeiten auch ab und zu etwas leisten kann. Oft überlegt sie, einen Zweitjob anzunehmen, um mit ihrer Tochter einmal auf Urlaub fahren zu können.

Fast jedes fünfte Kind in Österreich ist armutsgefährdet oder lebt in Armut.
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Kinderarmut hat viele Gesichter

Wenn Erwachsene mit dem Schlagwort "Armut" konfrontiert werden, dann haben sie zumeist Bilder von heimatlosen Menschen, hungernden Kindern, heiklen Lebenssituationen oder Obdachlosigkeit vor Augen. Kinderarmut ist aber nicht immer so sichtbar, wie manche meinen. Laut Statistik Austria lebt in Österreich fast jedes fünfte Kind in dramatisch prekären Verhältnissen. Und diese ziehen sich durch alle Bevölkerungsschichten.

Relative Armut wird am allgemeinen Lebensstandard der jeweiligen Gesellschaft gemessen. So gelten jene Menschen als arm, denen es aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, in Österreich übliche Güter zu erwerben beziehungsweise zu konsumieren. Dadurch bleibt ihnen meist die Integration in die Gesellschaft verwehrt.

Mehr als 1,2 Millionen Österreicher sind laut Caritas Österreich armutsgefährdet oder leben bereits in manifester Armut. Allen gemein ist, dass sie oftmals nicht in der Lage sind, sich aus eigener Kraft aus dieser Situation herauszubringen. Dies bedeutet für diese Familien eine Schlechterstellung und für die Kinder oft schlechtere Entwicklungsmöglichkeiten und -chancen. In späteren Jahren führt das zu einer viel schlechteren Möglichkeit, an Bildung teilzuhaben, was sich auf die beruflichen Möglichkeiten niederschlägt. Weiters bedeutet es für diese Kinder Nachteile in familiären Beziehungen, in der Interaktion mit Gleichaltrigen, in den Freizeitbeschäftigungen und vielem mehr.

Nur dazugehören

Für die meisten Kinder bedeutet es sehr großen Stress, die Armut zu verbergen, sobald sie verstehen können, dass sie anders leben. Da geht es darum, zu Schulbeginn keine neue und tolle Schulausrüstung zu bekommen, keine Jause mitzuhaben, nicht auf Ausflüge mitzufahren oder einfach die Karte fürs Theater nicht zahlen zu können.

Aber nicht nur das: Ihnen können grundlegende Wünsche nicht erfüllt werden; es gibt nicht die Möglichkeit, Freunde zu sich nach Hause einzuladen, weil der Platz nicht vorhanden ist; zum Geburtstag kein Fest veranstalten oder die Einladung nicht annehmen zu können, weil ja ein Geschenk besorgt werden muss; Gewand von den Geschwistern anziehen zu müssen, obwohl einem das nicht gefällt oder nicht passt; sich vielleicht in der gemeinsamen Wohnung nicht wohlzufühlen und das Gefühl zu haben, niemals allein sein zu können.

Oftmals kein Zugang

Laut Statistik Austria zeigt sich die Situation in Österreich wie folgt: 14,4 Prozent der Bevölkerung verfügten im Jahr 2017 über ein Einkommen, das unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt. Ungefähr jedes zehnte Kind in Österreich unter 16 Jahren ist von "zentralen Lebensbereichen" ausgeschlossen. Dazu gehören tägliches Obst oder Gemüse, kindgerechte Bücher und Spielzeug sowie einen Platz mit "ausreichend Licht und Ruhe zum Lernen". Regelmäßige Freizeitaktivitäten kann etwa nur die Hälfte aller Kinder aus einkommensschwachen Familien ausüben. Der gemeinsame Jahresurlaub oder auch nur ein kleiner Ausflug am Wochenende sind für viele Familien mit niedrigem Einkommen nicht leistbar.

Es leidet die Bildung

Armut belastet die Gesundheit, erzeugt Scham, Wut und Neid. Kinder und Jugendliche erleben bei ihrem Aufwachsen eine Benachteiligung ihrer sozialen Kontakte, der Bildungschancen und -möglichkeiten und eine geringere Teilhabe am sozialen Leben. Dies alles hemmt Kinder auch in ihrer altersentsprechenden Entwicklung.

Gerade Bildung als zentrales Kriterium zur Überwindung von Armut spielt eine eminent wichtige Rolle. Die Auswirkung kultureller Benachteiligung zeigt sich in der fehlenden schulischen Förderung und auch in der Einschränkung außerschulischer Förderung. Zu Bedenken ist, dass oftmals Eltern mit niedrigem Einkommen ihre Kinder meist selbst nicht ausreichend unterstützen können. Hier zeigt sich immer wieder, dass eine Spirale der Armut sich durch viele Generationen durchzieht.

Armut bedeutet Aufwachsen in Unsicherheit

Armutsgefährdete Kinder wachsen in Unsicherheit auf. Die Angst der Eltern vor der Zukunft sorgt in der Familie für eine permanente Verunsicherung. Kinder nehmen die Sorgen und Ängste ihrer Eltern und Bezugspersonen wahr. Unsicherheit und die andauernde Ungewissheit belasten nicht nur die physische, sondern auch die psychische Gesundheit der Menschen. Durch eine belastete Lebenssituation ergibt sich, dass Kinder oftmals sowohl an diversen sozialen Problemen zu leiden haben als auch an körperlichen Gesundheitsproblemen, die auftreten. Das alles ist Teil von Kinderarmut. Und wie schon eingangs erwähnt, bleibt diese leider oft unsichtbar.

Ihre Erfahrungen?

Fällt Ihnen Kinderarmut in Ihrem Umfeld auf? Welche Maßnahmen gegen Kinderarmut fallen Ihnen ein? Was vermuten Sie, welche Gründe gibt es für Kinderarmut in unserem Land? Posten Sie Ihre Erfahrungen, Fragen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 7.9.2018)