Das Architektenpaar Samina und Andrei Gheorghe hat sich seinen Traum vom Hausbau inmitten des fünften Bezirks verwirklicht. Ihre vier Wände können nach Bedarf wachsen und schrumpfen.

"Unsere Suche nach einem Rohdachboden zum Ausbauen hat lang gedauert. 2010 haben wir diesen Rohdachboden gefunden. Wir kamen herein und wussten sofort, welche Perle hier versteckt ist.

DER STANDARD

Der Dachboden war schwer zu bebauen. Es gab nämlich keine Möglichkeit, einen Kran oder Bauaufzug aufzustellen. Insgesamt hat der Umbau sechs Jahre lang gedauert. Wir haben an innovativen Lösungen getüftelt und viel Eigenleistung hineingesteckt. So haben wir jahrelang unsere Freizeit auf der Baustelle verbracht und selbst mitangepackt.

Dafür kennen wir jetzt jede Ritze, und wir wissen, wo wir unsere Handabdrücke am Ende jeder Bauphase hinterlassen haben. Auf dem Land bauen sich viele Menschen ihr Haus. Wir haben uns unseres auf dem Dach gebaut.

In der Wohnung der Architekten Samina und Andrei Gheorghe spielt sich ein Großteil des Lebens im zweigeschoßigen Wohnraum ab. Die übrigen Räume sind Rückzugsorte.
Foto: Lisi Specht

Besonders wichtig war uns die Hoftypologie unseres Zuhauses. Alle privaten Räume sind reduziert und zum zentralen, doppelgeschoßigen Wohnraum hin orientiert. Das erinnert uns an Hofhäuser, wie es sie in der arabischen Architektur gibt. Man ist hier ständig im visuellen Austausch.

Wir haben ein Mehrgenerationenprojekt geplant: Derzeit bewohnen wir nur 90 der ausgebauten 300 m² Wohnfläche. Den Rest haben wir vermietet. Aber wenn die Familie wächst oder die Eltern pflegebedürftig werden, wissen wir genau, wie wir die Wohnungen strukturieren. Planerisch war es eine große Herausforderung, sich alle Eventualitäten durchzuüberlegen. Und je flexibler man baut, desto teurer wird es.

Fotos: Lisi Specht

Wir haben beim Ausbau die vorhandenen Ressourcen wie alte Ziegel nicht einfach weggeschmissen, sondern wiederverwendet. Wir haben die alte Holzdecke wieder eingeführt, allerdings als digital gefräste, nach dem Kraftfluss entworfene, neue Konstruktion. Das Galeriegeländer wurde in dem gleichen zeitgemäßen Formenvokabular neu interpretiert.

Bei der Möblierung haben wir versucht, den maximalen Effekt mit am Markt verfügbaren Möbeltypen zu schaffen. Uns waren bestimmte Leitlinien wichtig: Das Sofa besteht aus Modulen, die man auch anders anordnen kann – je nachdem, welche funktionale Konfiguration man gerade braucht. Wenn es einen Kindergeburtstag gibt und eine Riesengaudi, dann wandern die Sofamodule an die Wand, und es ist alles Freiraum. Wir haben uns ein anpassbares Lebensgefühl gewünscht.

Dass wir in diesem langjährigen Prozess zu zweit waren, war extrem wichtig – allein schon aus psychologischen Gründen. In sechs Jahren Bauzeit treten so viele Probleme auf, die man nur im Gespräch lösen kann.

Fotos: Lisi Specht

Die Dachebene ist eine unserer Vorlieben als Architekten. Am Ende des Tages ist es die letzte innerstädtische Ressource, die nachverdichtet werden kann. Dachbodenausbauten sind für viele aber ein emotional behaftetes Thema, weil hier oft homogene hochpreisige Wohntypologien entstehen. Die Frage ist immer, wie man mit dem Bestand nachhaltig und im Sinne der Gemeinschaft umgehen kann.

In Wien könnte man am Dach viel mehr diversifizieren und dort genau das bauen, was das Grätzel braucht. Das müssen nicht immer nur Wohnungen sein, sondern zum Beispiel auch ein Kindergarten oder ein Spielplatz.

Kommendes Wochenende zeigen wir unser Zuhause bei der Architekturveranstaltung Open House her. Das ist für uns keine große Überwindung. Wir waren ja auch selbst beim Open House schon in privaten Wohnungen. Darum machen wir das heuer für alle, die ähnlich ticken wie wir. Ja, man gibt damit ein Stück Privatheit auf. Aber unser Zuhause ist ja auch gleichzeitig unsere berufliche Visitenkarte." (Franziska Zoidl, 10.9.2018)