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Die Fabrik Krymski Titan ist der größte Produzent des Weißpigments Titandioxid in Osteuropa.

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In Armyansk wird die Bevölkerung in Sicherheit gebracht.

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"Keine Gefahr!" – Die politische Führung der 2014 von Russland annektierten Krim versucht mit allen Mitteln den Schein der Normalität zu wahren: "Heute, ausgehend von den Informationen, die wir den Analysen und Proben, die wir täglich sammeln, entnehmen, können wir sagen, dass die Lage in Armjansk ziemlich stabil ist", erklärte der Vizepremier der Krim-Regierung, Dmitri Polonski.

Eine Normalität, die den Bewohnern der Landenge von Perekop im Norden der Krim im wahrsten Sinne des Wortes sauer aufstößt. Denn seit Wochen hängen Schwefeldioxidwolken über der Region. Die Folgen sind sichtbar: Die Laubbäume sind kahl, sogar Nadelgehölze und Gras haben sich rostbraun verfärbt, auf Rohren, Autos, Fahrrädern, ja selbst metallischen Türgriffen hat sich ein orange-gelber Niederschlag abgesetzt. Das Atmen fällt schwer, es stinkt nach Schwefel, und im Mund bleibt ein metallischer Geschmack zurück.

Urheber ist die Fabrik Krymski Titan, der größte Produzent des Weißpigments Titandioxid in Osteuropa. Besitzer ist Medienberichten zufolge trotz der Russifizierung von Halbinsel und Fabrik immer noch der ukrainische Oligarch Dmitro Firtasch.

Wasser fehlt

Probleme mit der Produktion gibt es seit langem. Für den Herstellungsprozess wird Schwefelsäure verwendet, daneben ist aber auch viel Süßwasser nötig. Dies aber fehlt, seit die Ukraine den Krim-Kanal blockiert hat, der die Halbinsel seit den 1970er-Jahren mit Trinkwasser aus dem Dnepr versorgt. Die Halbinsel hat in diesem trockenen Sommer deswegen insgesamt große Probleme mit der Trinkwasserversorgung und der Ernte. Nun hat die Trockenheit ein weiteres Fiasko angerichtet: Der 30 Millionen Kubikmeter fassende offene Säurespeicher der Titan-Werke ist fast ausgetrocknet.

Damit wird das giftige Schwefeldioxid nicht mehr gehalten, und das Gas steigt in die Luft. Laut dem Katastrophenschutz werden die zulässigen Grenzwerte derzeit in Armjansk um 40 Prozent übertroffen, in der Ortschaft Perekop sogar um mehr als das Vierfache. Doch obwohl die ersten Klagen von Bewohnern schon am 23. August eingingen, geschah lange Zeit gar nichts. Die Gebietsregierung wollte keine Panik unter den Touristen – die vor allem im Süden der Halbinsel unterkommen und daher von der Luftverschmutzung nichts mitbekommen haben. Erst Anfang September reiste Krim-Chef Sergej Aksjonow persönlich an, um sich ein Bild von der Lage zu machen.

Anschließend erklärte die Regierung die Sache immer noch für weitgehend ungefährlich, ordnete aber gleichzeitig die Evakuierung von rund 4.000 Menschen, darunter viele Schulkinder, aus der Gegend an. Auch die Schließung der Fabrik wurde angeordnet, noch läuft die Produktion allerdings weiter.

Auch ist noch unklar, wie die Folgen der Umweltverschmutzung beseitigt werden sollen. Eigentlich müsste das Gift in dem ausgetrockneten Reservoir entsorgt werden, doch das ist technisch schwierig. Es handle sich um einen beispiellosen Vorfall, daher gebe es noch "kein Rezept" zur Lösung des Problems, räumte Aksjonow ein. (André Ballin, 6.9.2018)