Die Altstadt Jerusalems ist der am besten bewachte Ort in Israel. Sie unterteilt sich in ein jüdisches, ein muslimisches, ein armenisches und ein christliches Viertel.

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Jerusalem ist in jeder Hinsicht eine gespaltene Stadt. Im täglichen Zusammenleben sind vor allem die Gräben zwischen der jüdischen und der arabischstämmigen Bevölkerung tief. Nach israelischem Gesetz gelten die Palästinenser im Osten der Stadt, auch wenn sie seit Generationen in Jerusalem leben, nur als "Wohnberechtigte". Obwohl die Palästinenser ein Drittel der Stadtbevölkerung stellen, kommt ihnen nur ein Zehntel der Ausgaben für Infrastruktur zugute. Politische Teilhabe in der Stadtverwaltung findet nicht statt, da die Palästinenser die israelischen Behörden nicht anerkennen.

Jede Gruppe in Jerusalem hat ihre eigene Sprache, ihre eigene Nachbarschaft. Erziehungs- und Transportwesen sind getrennt. Es bestehen naturgemäß, bestimmt durch die unterschiedlichen Religionen, andere Feiertage, und die jeweilige Kultur ist geprägt von einer anderen kollektiven Identität. Jede Gruppe hat ihre eigenen Medien – man bleibt unter sich.

Interkultureller Dialog

Die Initiative "0202: Points of View from Jerusalem" will das nicht länger hinnehmen. Der Schlüssel zum besseren Verständnis und Austausch sei vor allem die Sprache, findet die Gruppe, der etwa 40 zum allergrößten Teil freiwillige Mitarbeiter angehören. Deswegen haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, den verschiedenen lokalen Gruppierungen Zugang zu den jeweiligen Nachrichten und Ansichten der anderen zu ermöglichen, indem sie Artikel aus Medien in die jeweils anderen Sprachen (Arabisch, Hebräisch, Englisch) übersetzen.

Auf mehreren Facebook-Seiten ist ihr Angebot seit einigen Jahren abrufbar. Mittlerweile bieten sie auch Touren durch die Stadt an, die das Verständnis für die anderen fördern sollen. Genutzt wird das Angebot regelmäßig von immerhin etwa 120.000 Personen.

Etliche Diskussionen wurden in der Stadt auf Basis ihrer interkulturellen Bemühungen angestoßen. Es sind scheinbar Banalitäten wie abgenommene Verkehrsschilder, die in der Stadt aber große Bedeutung haben. So existierte in einigen Regionen im Westen ein Fahrverbot für Autos am Samstag, dem jüdischen Ruhetag. Eine klare Diskriminierung, fand die nichtjüdische Bevölkerung. Nachdem die Diskussion auf den Facebook-Seiten der Initiative aufgegriffen und in der Folge massiv diskutiert worden war, reagierte die Stadtverwaltung und ließ das Fahrverbot aufheben. Ein Beispiel von mittlerweile vielen.

Achievement Award

Am Donnerstagabend wurde die Initiative in Anwesenheit zweier Vertreterinnen mit dem Intercultural Achievement Award des österreichischen Außenministeriums ausgezeichnet. Neben "0202: Points of View from Jerusalem" wurden weitere vier Initiativen aus Tunesien, Mosambik, der Ukraine und Graz mit Preisgelden zwischen 5.000 und 10.000 Euro bedacht. Der mit 10.000 Euro dotierte Hauptpreis ging an das HIV-Präventionsprojekt Saber é Viver aus Mosambik, einem Land, in dem laut UNAIDS 1,8 Millionen Menschen mit dem HI-Virus leben.

Durch Sport und Musik soll Kindern und Jugendlichen "die Courage mit auf den Weg gegeben werden, um sich gegen Stigmata in der Gesellschaft zu wehren". "0202: Points of View from Jerusalem" sind Preisträger in der Kategorie Medien. (red, 7.9.2018)