Wien/Innsbruck – Die größten bisher gefundenen römischen Wassermühlen nahe Arles in Südfrankreich wurden offenbar vor allem zur Produktion von Mehl für Schiffszwieback genutzt. Zu dieser Erkenntnis ist nun ein deutsches Forschungsteam mit Beteiligung aus Innsbruck gekommen. Die Wissenschafter konnten mit neuen Analysemethoden nachweisen, dass die Mehlproduktion dann stillstand, wenn auch die Schifffahrt ruhte.

Entdeckt wurden die "Wassermühlen von Barbegal" in den 1930er-Jahren. Bis heute gelten sie als eine der ersten Industrieanlagen in der Geschichte der Menschheit. Erbaut wurde die insgesamt 16 Wasserräder zählende römische Anlage im zweiten Jahrhundert. Die Experten, die die Überreste nun untersucht haben, gehen davon aus, dass sie bis zum frühen dritten Jahrhundert genutzt wurde.

Produktive Anlagen

Im Vollbetrieb dürften dort täglich bis zu 25 Tonnen Mehl produziert worden sein, was den Bedarf von rund 27.000 Menschen gedeckt haben könnte. Die bemerkenswerte Anlage von Barbegal stelle die früheste und größte bisher entdeckte industrielle Nutzung von Wasserkraft in der Antike dar, teilte die Universität Mainz mit.

Wie das Team unter der Leitung von Cees Passchier von der Universität Mainz nun mittels Analysen von Kalkablagerungen im Fachjournal "Science Advances" berichtet, waren die Mühlen jedoch nicht das gesamte Jahr über in Bewegung. Da Mehl damals deutlich kürzer eingelagert werden konnte als die Körner, hätte es zur Versorgung der Umgebung einen durchgehenden Betrieb gebraucht.

Zeiweise Nutzungsdauer

Aus den Karbonaten, die sich einst auf Mühlrädern oder in Wasserrinnen abgelagert haben, und die im Gegensatz zu den hölzernen Rädern und Mechaniken die Jahrhunderte überstanden haben, lassen sich mit neuen wissenschaftlichen Methoden auch noch heute detaillierte Schlüsse ziehen. Im Rahmen der teilweise von Christoph Spötl vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck durchgeführten Analysen der Isotopenverhältnisse von Sauerstoff und Kohlenstoff konnten die Wissenschafter nun Informationen über die Dauer der Nutzung und über das Klima sowie die Wassermenge der Quellen gewinnen.

"Die Wasserräder standen regelmäßig für zwei bis drei Monate im Jahr still, meistens im späten Sommer und Herbst. Das deckt sich mit den Zeiten des römischen Schiffsverkehrs, der typischerweise im Spätherbst eingestellt wurde", so Passchier. Die Wissenschafter ziehen daraus den Schluss, dass Mehl zur Herstellung des länger haltbaren und leicht zu transportierenden Zwieback für die Seefahrer in den nahegelegenen Häfen im heutigen Südfrankreich verwendet wurde. Die saisonale Nutzung der Mühlanlage würde zu den Zyklen der antiken Schiffverkehrs passen, so die Forscher. (red, APA, 7.9.2018)