In seinem soeben erschienenen Buch "Das Ende der Diplomatie" widmet sich Ron Farrow der amerikanischen Außenpolitik.

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Ronan Farrow ist einer, der perfekt personifiziert, was die Amerikaner "disruption" nennen. Er ist ein supersmartes "whizz-kid" (mit elf geht er an die Uni, mit 16 studiert er Jus in Yale, mit 17 wird er Praktikant beim amerikanischen Großdiplomaten Richard Holbrooke). Mit etwas über 20 macht Außenministerin Hillary Clinton den Sohn von Mia Farrow und Woody Allen zu ihrem Sonderberater.

Später wird er Rechtsanwalt und Journalist, bringt den Filmproduzenten Harvey Weinstein mit seinen Missbrauchsberichten im "New Yorker" zu Fall, die #MeToo-Bewegung richtig in Schwung und erhält einen Pulitzerpreis. Wo der heute 31-Jährige aufkreuzt, so viel steht fest, bleibt kein Stein auf dem anderen. Ronan ist ein Zerstörer – von eingefahrenen Curricula, alten Gewissheiten und eingeübten Praktiken.

200 Interviews

In seinem soeben erschienenen Buch widmet sich der so hochbegabte wie hochfrequente Farrow der amerikanischen Außenpolitik. Seine These lautet: In ihrem Umgang mit auswärtigen Angelegenheiten verließen sich die USA immer mehr auf das Militär und immer weniger auf die Diplomatie. Um das zu belegen, hat der frühere Diplomat 200 Interviews geführt – mit immerhin neun früheren US-Außenministern, Generälen und Admirälen, CIA-Chefs, Mitarbeitern des State Department und des Pentagons. Beinahe 1000 Fußnoten mit Verweisen finden sich im Anhang.

Der Text beginnt mit Schwung und Donald Trumps großer Säuberungsaktion im US-Außenamt. In bester Reportermanier beschreibt Farrow spannende Szenen aus aller Welt, politische Bruchlinien, Interna aus der großen Washingtoner Politmaschine. Aber wie es eben so ist, darf sich auch ein Hansdampf in allen Gassen bei so einem Projekt nicht in Kolloquialem und Kolportage erschöpfen. Eine gewisse argumentative Konsistenz ist nötig, will er nicht auch als Dampfplauderer gelten.

Das "Ende der Diplomatie", das sich nach den Anschlägen vom 11. September 2001 abzeichne, belegt er jedenfalls trotz hoher Interviewdichte nicht – auch weil es dem Buch an historischer Perspektive und an einer umfassenderen Reflexion fehlt.

Die Militarisierung der US-Außenpolitik ist kein Phänomen dieses Jahrtausends. In seiner Abschiedsrede warnte Präsident Dwight D. Eisenhower, in einem früheren Leben selbst Vier-Sterne-General, 1961 vor dem "militärisch-industriellen Komplex". Vietnam und ein paar andere Kriege belegen, dass Washington seine Diplomatie (auch Holbrooke auf dem Balkan) mit "militärischer Glaubwürdigkeit" hinterlegt haben.

Auf der anderen Seite stehen diplomatische Erfolge auch in der Obama-Ära, über die Farrow am ausführlichsten berichtet, die seine These konterkarieren: Für den Atom-Deal mit dem Iran oder das Pariser Klimaschutzabkommen ist kein Schuss gefallen. Zu viel "disruption" erzeugt nur Scherben. Mitunter ist es besser, Steine aufeinander zu belassen.(Christoph Prantner, 8.9.2018)