Die Mitarbeiter waren offenbar nicht in der Lage, die schlimmsten Politikfehler ihres Chefs zu verhindern – dabei wäre genau das ihr Plan.

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Ist es Landesverrat, wenn ein Regierungsvertreter zugibt, unsinnige oder gefährliche Entscheidungen seines Präsidenten zu hintertreiben? Dies behauptet zumindest Donald Trump seit der Veröffentlichung des anonymen Kommentars in der New York Times. Natürlich nicht: Anders als in Diktaturen sind amerikanische Minister und Beamte auf die Verfassung vereidigt, nicht auf die Person des Staatsoberhaupts. In einer normalen Regierung wären sie nicht im Amt, wenn sie die Ziele ihres Chefs nicht teilen. Doch Trumps Weißes Haus ist alles andere als normal.

Viele haben sich zuletzt gefragt, ob die dortigen Zustände ein Grund zum Fürchten sind, wie es auch Bob Woodwards Buchtitel Fear suggeriert, oder ob man froh sein soll, dass es Leute gibt, die Trump beim Ausleben seiner schlimmsten Instinkte hindern, sei es auch mit fragwürdigen Methoden. Dass dies geschieht, ist nicht überraschend. Seit Trumps Angelobung war von den "Erwachsenen im Zimmer" die Rede, die vor allem in der Außenpolitik für Vernunft sorgen würden.

Sie haben nichts verhindert

Hätten sie es bloß getan! Doch die selbsternannte "Widerstandsbewegung" – so der Titel des New York Times-Kommentars – hat Trump weder am Rückzug aus dem Pariser Klimavertrag und dem Iran-Deal noch an seinen Handelskriegen, der Brüskierung der Verbündeten oder dem absurden Nordkorea-Theater gehindert. Bloß gegenüber Russland hat sie etwas Erfolg: Trumps Anbiederung an Wladimir Putin wird durch Sanktionen und harte Rhetorik neutralisiert. Das Ergebnis allerdings ist eine orientierungslose Politik, die Putin freie Hand an Schauplätzen wie Syrien gibt. Die Supermacht USA steht schwächer da denn je.

Der größte Vorwurf im Kommentar gegen Trump ist dessen völliger Mangel an politischer Ethik und seine Verachtung für den Rechtsstaat. Dass aufrechte Demokraten hier Widerstand leisten müssen, selbst wenn sie für den Präsidenten arbeiten, ist eigentlich selbstverständlich. Doch bisher waren es nicht Trumps eigene Mitarbeiter, sondern die Justiz, die Bundesstaaten und die Medien, die das Schlimmste zu verhindern versuchten.

Der Kongress versagt

Der Kongress, eigentlich die mächtigste Kontrollinstanz, versagt völlig, weil die Republikaner Trump zu Füßen liegen. Dem Obersten Gerichtshof wiederum droht mit der Ernennung von Brett Kavanaugh eine weitere erzkonservative Politisierung. Und dass Republikaner an zahlreichen Orten versuchen, ganzen Bevölkerungsgruppen ihr Wahlrecht zu nehmen, hat nur am Rande mit Trump zu tun.

Das Gute an den jüngsten Enthüllungen ist, dass sie das Selbstbild des entscheidungsstarken Staatschefs zerstören, an das viele Trump-Anhänger immer noch glauben. Das schadet den Republikanern bei den Novemberwahlen und stärkt die Hoffnung, dass die Trump-Tragikomödie nach 2020 keinen zweiten Akt erlebt. Die Gefahr für die Demokratie, die von diesem Präsidenten ausgeht, wird durch seine dokumentierte Inkompetenz allerdings nicht gebannt. Das können nur die amerikanischen Wähler. (Eric Frey, 7.9.2018)