Bild nicht mehr verfügbar.

Präsident Ortega mit Rosario Murillo.

Foto: REUTERS/Oswaldo Rivas

Seit April kommt es in Nicaragua zu Protesten gegen die Regierung von Präsident Daniel Ortega und seiner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo. Bei Einsätzen von Polizei und bewaffneten Milizen wurden über 450 Menschen getötet. Die Trova-Sängerin Katia Cardenal sammelte auf ihrer Europatournee Spenden für nicaraguanische Flüchtlinge und beantwortete bei ihrem Wien-Besuch die Fragen des STANDARD.

STANDARD: Die venezolanische Musikgruppe Los Guaraguao will Ihnen untersagen, das Lied "Que vivan los Estudiantes" (Hoch leben die Studenten) zu spielen. Wie ist es zu diesem Streit gekommen?

Katia Cardenal: Das Protestlied der Chilenin Violeta Parra ist in Nicaragua eines der populärsten Lieder auf Demonstrationen. Einige Mitglieder der venezolanischen Gruppe wollen verhindern, dass ihre Aufnahme zu solchen Anlässen abgespielt wird, aber niemand kann dem Volk vorschreiben oder verbieten, welche Lieder es singt.

Auf meinen Twitter-Aufruf von Anfang August, seine eigene Version zu veröffentlichen, gibt es bereits zahlreiche Reaktionen, darunter sogar eine Punkrock-Version.

STANDARD: Warum haben sich so viele nicaraguanische Musiker, der bekannteste wohl Carlos Mejía Godoy, entschlossen, das Land zu verlassen?

Cardenal: Ich kann nur für mich selbst sprechen. Als Trova-Sängerin beschäftige ich mich hauptsächlich mit sozialen und Umweltthemen, und das ist derzeit in Nicaragua unerwünscht, solche Aktivitäten werden als "Terrorismus" verfolgt. Ich hätte dort derzeit keine Möglichkeit, meinen Lebensunterhalt zu verdienen, ich müsste im Untergrund auftreten.

STANDARD: In den 80er-Jahren wurden in Europa Spenden für die Sandinisten gesammelt. Wie ist das heute, was haben Sie auf Ihrer Tournee erlebt?

Cardenal: Entgegen den Vorwürfen, wir würden Geld für die Bewaffnung der Demonstranten sammeln, gehen die Einnahmen aus unseren Solidaritätsveranstaltungen an Organisationen wie das Rote Kreuz, die damit nicaraguanische Flüchtlinge unterstützen. Allein in Costa Rica sind es über 20.000 Landsleute, die aus Nicaragua geflohen sind.

STANDARD: Wie gehen die Nachbarländer mit den Flüchtlingen um? Gibt es Bestrebungen, die Grenzkontrollen zu verschärfen?

Cardenal: Sowohl Costa Rica als auch Guatemala haben dankenswerterweise ihre Grenzen offen gelassen.

STANDARD: Glauben Sie, dass Chiles Ex-Präsidentin Michelle Bachelet, die demnächst ihren Posten als UN-Kommissarin für Menschenrechte antritt, Einfluss auf Präsident Daniel Ortega ausüben können? Er verwies ja gerade die Arbeitsgruppe des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte des Landes, weil sie ihm Repression gegen Demonstranten vorgeworfen hatte.

Cardenal: Daniel Ortega lebt auf seinem eigenen Planeten. Er geht davon aus, dass Nicaragua sein persönliches Eigentum ist, ich habe da wenige Hoffnungen. Wir versuchen zu erreichen, dass die Welt nicht ihre Augen verschließt angesichts des Massakers, des Genozids, der derzeit stattfindet.

STANDARD: Wie geht es weiter, werden Sie nach Nicaragua zurückkehren?

Cardenal: Ich werde noch mehrere Konzerte in Europa spielen, am 22. September trete ich in New York auf. Einen Termin für eine Rückkehr gibt es noch nicht. (Bert Eder, 11.9.2018)