Vor Beginn der Gespräche in Teheran wurde die Provinz Idlib (Bild) aus der Luft bombardiert.

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In Teheran wird immer wieder einmal Militärgeschichte geschrieben. 75 Jahre ist das Treffen der "Großen Drei" in der iranischen Hauptstadt her. Stalin, Churchill und Roosevelt berieten in Teheran 1943 erstmals gemeinsam über den Kriegsverlauf, die politische Neuordnung Europas und die Teilung Deutschlands.

Bei dem Treffen am Freitag ging es daran gemessen um weniger, und von den drei teilnehmenden Präsidenten mag auch nur einer als "groß" bezeichnet werden: Wladmir Putin versuchte gemeinsam mit Hassan Rohani und Tayyip Erdoğan, die Schlussphase im seit siebeneinhalb Jahren dauernden Krieg in Syrien festzulegen. Das erwies sich als schwierig.

Während die Staatschefs Russlands, der Türkei und des Iran miteinander sprachen, lief bereits die Offensive gegen Idlib, die letzte von Rebellen gehaltene Provinz in Syrien. Russische Kampfjets bombardierten nach Informationen der Syrien-Beobachtungstelle in London auch die Ashrar al-Sham, eine von der Türkei unterstützte Islamistenmiliz. Das zeigt, wie kompliziert es mittlerweile geworden ist, die Interessen vor allem der türkischen Kriegspartei mit denen der anderen zu vereinbaren.

Kurzes Treffen

Das Treffen der drei dauerte am Ende gerade einmal eine Stunde und wurde live übertragen. Davor fanden allerdings kurze bilaterale Treffen statt. Der türkische Staatspräsident wandte erhebliche Mühen auf, um die Militäroffensive Russlands und der von Moskau unterstützten syrischen Regierungsarmee zu bremsen. Erdoğan warb für eine Waffenruhe vor allem mit Blick auf das Risiko einer neuen großen Flüchtlingswelle aus Syrien. Putin aber widersprach einen Moment lang während des Dreiertreffens vor laufender Kamera. Islamistische Terroristen, die in der Provinz Idlib Fuß gefasst haben, seien nicht Teil der Friedensgespräche, argumentierte der russische Präsident.

"Ich glaube, der türkische Präsident hat im Allgemeinen recht. Es wäre gut", sagte Putin über den Vorschlag einer Waffenruhe in Idlib. "Aber ich kann nicht für sie sprechen", fuhr der russische Präsident fort und meinte damit die bewaffneten Rebellen in der großen nordsyrischen Provinz, "und um so mehr kann ich nicht für die Terroristen von Jabhat al-Nusra oder Isis sprechen und sagen, dass sie aufhören zu schießen oder Drohnen mit Bomben zu benutzen."

Drohnenangriff der Rebellen

Die russische Luftwaffenbasis Hmeimim im Norden Syriens war zuletzt von Drohnen der Rebellen angegriffen worden. Putin benutzte zudem den alten Namen der islamistischen Nusra-Front. Sie ist seit längeren zur Hay'at Tahrir al-Sham (HTS), dem Komitee zur Befreiung der Levante, mutiert. Die Türkei versuchte mit begrenztem Erfolg, die HTS zum Abzug aus Idlib zu überreden oder Teile der Rebellengruppe abzuspalten.

In Idlib sollen rund drei Millionen Menschen leben. Von der Provinzhauptstadt bis zur türkischen Grenze sind es nur knapp 40 Kilometer. Die Offensive auf Idlib, die diese Woche anlief, stellt die türkische Führung gleich vor mehrere Probleme.

Zum einen geht es um eine neue Flüchtlingsbewegung. Die Kapazität der Türkei sei erschöpft, erklärte Erdoğan nun in Teheran. Innenpolitisch ist die Präsenz von drei Millionen Flüchtlingen in der Türkei bereits zu einem Problem für die Regierung geworden.

Ebenso problematisch ist die Frage, wohin islamistische Rebellen gehen sollen, wenn sie im Rahmen einer Vereinbarung ihre Waffen niederlegen und freies Geleit erhalten, wie es ein Plan der Türkei vorsieht. In der Praxis würden sie nicht in einer "Pufferzone" in Syrien bleiben, sondern – wie vor dem Kurswechsel der türkischen Syrienpolitik 2015 – in die Türkei gehen, so geben politische Kommentatoren in Ankara zu bedenken. Dies wäre ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Schließlich würde eine Rückeroberung Idlibs bedeuten, dass die syrische Armee wieder an diesem Abschnitt der türkischen Grenze stünde. Damit wächst der Druck auf die Türkei, aus den besetzten Gebieten im Norden Syriens abzuziehen. (Markus Bernath, 7.9.2018)