Wer war's? Trump und Mitarbeiter, von denen jeder der Autor des anonymen Pamphlets sein könnte.

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Donald Trump war sich sicher: "Das ist Verrat!" Nämlich die Veröffentlichung eines anonymen Artikels durch ein "hochrangiges Mitglied der Administration" in der "New York Times". Darin schildert der Autor, wie sich eine Gruppe von "Erwachsenen im Raum" immer wieder zusammentut, um die schlimmsten Folgen von Trumps kindischen, uninformierten, bösartigen, kontraproduktiven, schlimmstenfalls gefährlichen Impulsen auf die Politik der USA abzufedern.

Wobei man im Fall von Trump unterscheiden muss: Ist es "Verrat" durch Veröffentlichung des anonymen Gastkommentars (worauf sich Trump bezieht) oder, weiter gefasst, die Tatsache, dass sich offenbar ein Klüngel nicht gewählter hoher Regierungsbeamter verschworen hat, den gewählten Präsidenten unter stille Kuratel zu stellen?

Sorry, Donald, nach amerikanischem (Verfassungs-)Recht ist es in beiden Fällen kein Verrat. Die US-Constitution definiert "treason" ziemlich eng: Verrat liegt vor, wenn ein amerikanischer Bürger die Waffen gegen die USA ergreift oder wenn sich jemand einem Feind der Vereinigten Staaten "verschreibt" beziehungsweise ihm "Hilfe und Unterstützung" gewährt. Das gilt vor allem für den Kriegsfall, denn als "enemy" wird ein Land oder eine Institution definiert, das oder die den USA den Krieg erklärt hat oder sich in einem offenen Kriegszustand befindet.

Wenn US-Bürger Staatsgeheimnisse an ausländische, feindliche Mächte weitergeben, so wird das nicht unter "Verrat", sondern unter "Spionage" verfolgt und bestraft. Edward Snowden, der NSA-Geheimnisse veröffentlichte, müsste mit einer langen Haftstrafe rechen. Das Ehepaar Julius und Ethel Rosenberg wurde 1953 wegen Rüstungsspionage für die Sowjetunion hingerichtet.

Palastintrige

Worüber regt sich Trump so auf? Kurz vor dem "New York Times"-Gastkommentar hatte die Reporterlegende der "Washington Post", Bob Woodward, ein neues Buch veröffentlicht ("Fear"), in dem genau solche Vorfälle geschildert werden. Zum Beispiel, wenn der offizielle Wirtschaftsberater Gary Cohn Papiere von Trumps Schreibtisch stibitzt, um den Präsidenten daran zu hindern, das Handelsabkommen Nafta und einen Handelsvertrag mit Südkorea aufzukündigen. Oder wenn Verteidigungsminister James Mattis den Befehl von Trump, den syrischen Diktator Assad zu ermorden ("let's fucking kill them"), einfach nicht ausführt.

Die Antwort auf die Frage nach dem Verrat ist in beiden Fällen Nein. Es ist wahrscheinlich eine Palastintrige, ebenso wahrscheinlich eine Art Notwehrhandlung, um einen offensichtlich charakterlich, möglicherweise psychisch und ganz sicher wissensmäßig ungeeigneten Präsidenten irgendwie daran zu hindern, dem Land und der Welt Schaden zuzufügen.

Was es war: auf jeden Fall krasse Illoyalität. Wobei man diskutieren kann, ob es moralisch gerechtfertigt oder nicht gerechtfertigt war. Mit der Veröffentlichung des enthüllenden Gastkommentars ist allerdings das "moralische" Argument weg. Der klingt nur noch nach der Rechtfertigung vieler Mitläufer im Dritten Reich: "Ich bin geblieben, um Schlimmeres zu verhüten."

Außerdem ist durch die Veröffentlichung die "Verschwörung der Wohlmeinenden" in die Luft gesprengt: Trump wird jetzt noch paranoider und misstrauischer gegenüber seinen engsten Mitarbeitern sein als bisher. Ganz abgesehen davon, dass einige Aktionen, wie etwa die Verhinderung der Unterzeichnung der Nafta-Aufkündigung, nicht nachhaltige Wirkung hatten.

Die korrekte Vorgangsweise wäre wohl gewesen, wenn der Autor / die Autorin oder eine Gruppe von besorgten Mitarbeitern zurückgetreten und gleichzeitig eine öffentliche Erklärung über ihre Gründe – Trump ist einfach regierungsunfähig – abgegeben hätten.

Denn dass dieser Mann, über den die eigenen Mitarbeiter sagen, er sei ein Chaot und habe die Auffassungsgabe eines Volksschülers, nicht amtsfit ist, steht fest. (Hans Rauscher, 7.9.2018)