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Dragqueen Hellena Borgys bei der Miss Gay Brasil 2018. Sie hätte wohl Chancen, als Flüchtling anerkannt zu werden.

foto: reuters/stringer

Wien – Im August brachten zwei ablehnende Asylbescheide Österreich in internationalen Medien Kritik wegen behördlicher Homosexuellenablehnung ein: Ein Wiener Neustädter Referent des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hatte zwei Flüchtlingen, die vorbrachten, schwul und deshalb in ihrer Heimat in Lebensgefahr zu sein, die Glaubwürdigkeit mit fragwürdigen Argumenten abgesprochen.

Einem 18-jährigen Afghanen hatte der Referent beschieden, "weder Gang, Gehabe oder Bekleidung" aufzuweisen, die auf Schwulsein schließen ließen, und einem 27-jährigen Iraker, er habe sich "überzogen 'mädchenhaft'" benommen. Unter anderen berichteten "Spiegel" und "Süddeutsche Zeitung" über den Griff in die Homosexuellenklischeekiste.

Neuer Fall

Dieser fand aber auch in einem weiteren, am Freitag von der NGO Fairness Asyl präsentierten Fall statt. Auch bei diesem geht es um einen Afghanen, der angibt, schwul zu sein: ein Vorbringen, das, so es sich im Verfahren bestätigt, laut internationalem Flüchtlingsrecht Asyl- oder subsidiäre Schutzgewährung zur Folge haben muss.

Der BFA-Referent – ein anderer als jener in den ersten beiden Fällen – glaubte dem Afghanen nicht. In dem Bescheid vom Jänner 2018 argumentierte er mit einer Betrachtung der Handy- und Internetgewohnheiten des Asylwerbers. Dieser habe keine Fotos anderer Männer auf seinem Smartphone gehabt (siehe Zitat unten).

Schwule und Pornos

Und weiter: "Auch kann nicht nachvollzogen werden, dass Sie nur oberflächliche Angaben zu Ihren Internetnutzungsverhalten angeben können (sic!). Hier wäre bei tatsächlichem Interesse (wie angegeben) an pornografischem Material über Homosexuelle zumindest von Lieblingsseiten im Internet auszugehen."

Wer schwul sei, müsse also unbedingt Interesse an homosexuellen Pornos haben: Hier zeigten sich die "zur Norm erhobenen schablonenhaften Gedanken" des Referenten, sagte Fairness-Asyl-Initiator Wolfgang Salm am Donnerstag vor Journalisten.

"Verhöhnung"

Für den betroffenen Flüchtling, der inzwischen berufen hat, komme dies einer "Verhöhnung" gleich, sagte Salm. Immerhin habe der Mann seinem Schutzantrag Schreiben bekannter österreichischer Lesben- und Schwulenorganisationen beigefügt, die ihm dortige Mitarbeit bescheinigten: "Was soll er sonst noch vorweisen?"

Wie jedoch kann die Behauptung eines Flüchtlings, homosexuell zu sein, in einem Asylverfahren ohne Klischeebezug überprüft werden? Beim UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR weist man diesbezüglich auf die international geltende "Richtlinie zum internationalen Schutz Nr. 9" aus dem Jahr 2012 hin, die Verfahrensfragen bei Asylanträgen "aufgrund der sexuellen Orientierung und/oder der geschlechtlichen Identität" regelt.

UNHCR will Prüfung "sensibel und einzelfallbezogen"

Interviewer und Entscheidungsträger müssten "eine objektive Herangehensweise bewahren, damit ihre Schlüsse nicht auf stereotypen Vorstellungen von LGBTI-Personen beruhen", heißt es darin etwa. Um zu entscheiden, ob ein homosexueller Antragsteller glaubwürdig ist, müsse "sensibel und einzelfallbezogen" vorgegangen werden. Eine Beurteilung von "Gefühlen und Erfahrungen" sei zielführender "als der Fokus auf sexuelle Praktiken".

Viele BFA-Referenten würden sich das durchaus zu Herzen nehmen, sagt die Anwältin Doris Einwallner, die häufig schwule oder lesbische Asylwerber vertritt. Doch es gebe eben auch die anderen, die keine Ahnung hätten, was es bedeute, als Flüchtling aus repressiven Kulturen homosexuell zu sein. Beim BFA mahnt sie daher Weiterbildung ein. In einer Reaktion auf die neuen Homophobievorwürfe hieß es am Donnerstag dort, man habe bereits im August "Qualitätsmaßnahmen" gesetzt. (Irene Brickner, 8.9.2018)