Moskau – In Russland sind am Sonntag bei landesweiten Protesten anlässlich der Regionalwahlen laut Beobachtern mehr als 800 Menschen festgenommen worden. Allein in der Metropole St. Petersburg seien mehr als 350 Menschen in Gewahrsam genommen worden, teilte das Bürgerrechtsportal OVD-Info am Sonntagabend mit.

In Jekaterinburg am Ural wurden ebenfalls knapp 130 Demonstranten festgesetzt. Dabei handle es sich jedoch nur um die bereits gemeldeten Festnahmen, schrieben Beobachter. Die Zahlen könnten durchaus noch steigen. In mehr als 30 Städten sei es zu Festnahmen gekommen, hieß es.

Der inhaftierte Kremlkritiker Alexej Nawalny hatte im Internet dazu aufgerufen, am landesweiten Wahltag gegen die umstrittene Pensionsreform der Regierung zu demonstrieren. In vielen Regionen des Riesenreiches sollten am Sonntag Gouverneure und lokale Parlamente gewählt werden.

Aufruf von Youtube gelöscht

Der US-Internetkonzern Google löschte auf Druck Moskaus den Aufruf des Nawalny-Teams von der Videoplattform Youtube, zur Begründung wurde das Wahlkampfverbot während des Urnengangs angeführt. Dennoch gingen tausende Menschen auf die Straße.

Allein in Moskau demonstrierten rund 2.000 Menschen. Für alles sei Geld da, beklagte sich eine 44-jährige Demonstrantin: "Für die Streitkräfte in Syrien, in der Ukraine, für die Freunde des Präsidenten, aber nicht für die Pensionisten", sagte Olga Schenuschka.

Die 21-jährige Lehrerin Tatjana Reschezkaja sagte, die geplante Pensionsreform habe das Fass zum Überlaufen gebracht. "Wir können das nicht ertragen." In St. Petersburg riefen rund tausend überwiegend junge Demonstranten "Schande" und forderten den Rücktritt von Präsident Wladimir Putin.

Putin hatte angesichts sinkender Umfragewerte Ende August Zugeständnisse in der Pensionsfrage gemacht. So soll das Pensionseintrittsalter für Frauen nicht wie ursprünglich vorgesehen um acht, sondern um fünf Jahre angehoben werden und künftig bei 60 Jahren liegen. Bei Männern soll es von 60 auf 65 Jahre steigen.

Es ist die erste Anhebung des Pensionsalters in Russland seit fast 90 Jahren. Sie steht vor allem in der Kritik, weil die meisten Männer wegen der niedrigen Lebenserwartung in Russland das Pensionsalter kaum erreichen dürften. (APA, 9.9.2018)