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Shaip Kamberi Bürgermeister von Bujanovac, vor einer Kartei der südserbischen Stadt. Er ist für den Gebietsaustausch: "Obwohl wir uns seit 28 Jahren darum bemühen, uns in die Republik Serbien zu integrieren, sind wir weiter diskriminiert."

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Jugendliche im Kosovo

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Rexhep Abazi hofft, dass aus den Ideen der Politiker nichts wird. Der 27-jährige schlanke Mann mit den dunklen Augen geht raschen Schrittes durch die Fußgängerpassage in Bujanovac, einer kleinen Stadt im äußersten, untersten Zipfel von Serbien, ganz an der Nähe zur kosovarischen Grenze. "Ich glaube, dass es besser ist, wenn diese Grenzen erhalten bleiben", meint Abazi. "Denn mit einem Pass aus dem Kosovo könnte ich nirgends hinreisen. Mit dem serbischen Pass kann ich in die EU."

Außerdem vertraue er der Politik im Kosovo nicht. Die kosovarischen Politiker seien alle von den USA gekauft, Thaçi sei eine Marionette. Die Idee des kosovarischen und des serbischen Präsidenten, Hashim Thaçi und Aleksandar Vučić, einen Gebietsaustausch zu machen, habe auf dem gesamten Balkan für Verwirrung gesorgt. Laut dem Plan sollen Dörfer im Nordkosovo, in denen mehrheitlich Serben leben, zu Serbien kommen, Dörfer in Südserbien, in denen vor allem Albaner leben, zum Kosovo.

Dem Vernehmen nach sollten Thaçi und Vučić bereits vergangenen Freitag die Prinzipien des Abkommens unterschreiben. Dazu sollte der Gebietstausch gehören, eine indirekte Anerkennung des Staates Kosovo durch Serbien wie sie im deutsch-deutschen Grundlagenvertrag gemacht wurde, ein Verband für die serbischen Gemeinden im Süden und ein Sonderstatus für die orthodoxe Kirche. Die Stadt Mitrovica sollte beim Kosovo bleiben, der Stausee Gazivoda, der für die Wasserversorgung des Kosovo wichtig ist, sollte gemeinsam verwaltet werden.

Deutschland dagegen

Doch der Deal platzte zumindest vorerst, weil Deutschland deutlich machte, dass man strikt gegen neue Grenzen anhand ethnischer Kriterien sei. Schaut man sich die betroffenen Regionen an, so würde Serbien durch den Gebietsaustausch vor allem Armut verlieren. "Dieser Teil von Serbien ist ökonomisch fast ruiniert. Wir sind gezwungen, ins Ausland zu gehen, um zu arbeiten", sagt Abazi.

Auf den Parkbänken in Bujanovac sitzen ein paar Männer in zerrissenen Kleidern und zerbeulten Schuhen, es sind Roma. Etwa 5000 der 14.000 Einwohner von Bujanovac gehören laut dem Gemeindeamt zu dieser Volksgruppe. Es sind Menschen, die keine Lobby haben.

"Uns ist jeder Staat recht", sagen die Männer, "wir haben nichts gegen niemanden." Die Roma in der Region hatten am meisten unter den politischen Konflikten der anderen zu leiden. Ihre Stimmen wurden gekauft, sie wurden vertrieben und enteignet. Aber in Bujanovac sind alle arm. "Ich will nicht in den Kosovo, ich will in die EU, und zwar am besten morgen", sagt Adriana, eine junge Mutter, die ihre beiden Kinder gerade aus der Schule abgeholt hat. Auch ihr geht es um Arbeitsplätze und nicht um Grenzen.

Ein Mann, der unter einem Baum sitzt, erzählt, dass er gerade seinen serbischen Freund ins Krankenhaus nach Vranje geführt hat. "Die Grenze soll dort gezogen werden, wo der rote Apfelbaum steht", meint Blerim A. lächelnd und verweist damit auf einen albanischen Mythos. "In der Realität sollte jeder, egal welche Sprache oder Nationalität, dieselben Rechte haben, weil wir ohne einander nicht können", sagt Herr A. "Aber die Politiker achten nicht auf die Bevölkerung." Der 57-jährige Arbeitslose will zu seinem Sohn in die Schweiz ziehen. "Hier kann ich nichts verdienen."

Hoffnung verloren

Bürgermeister Shaip Kamberi erzählt, dass in den staatlichen Institutionen kaum Albaner und überhaupt keine Roma vertreten sind. Obwohl hier 60 Prozent Albaner lebten, gebe es etwa im Katasteramt keinen einzigen – und von 13 Richtern seien nur drei Albaner. Kamberi ist deshalb für den Gebietsaustausch: "Obwohl wir uns seit 28 Jahren darum bemühen, uns in die Republik Serbien zu integrieren, sind wir weiter diskriminiert. In Belgrad gab es nie einen Willen, die Albaner zu integrieren." Nun könne Thacis Idee die Rettung sein. "Denn wir haben die Hoffnung verloren, dass wir gleichgestellte Bürger werden können." (Adelheid Wölfl, 9.9.2018)