Billie Jean King stimmte Serena Williams in der Sexismusdebatte zu.

Chris Evert meldete sich ebenfalls zu Wort.

Serena Williams fühlte sich von Schiedsrichter Ramos ungerecht behandelt.

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Naomi Osaka behielt im Spiel, auch mit dem Pokal vor Augen, die Nerven.

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New York – Serena Williams versuchte zu retten, was nicht mehr zu retten war. Auch wenn es ihr unter Tränen gelang, die Buhrufe der Zuschauer im Arthur-Ashe-Stadion endlich abzuwürgen, hatte sie den großen Abend ihrer jungen Bezwingerin längst verdorben.

Naomi Osaka stand derweil neben ihrem gefallenen Idol und wusste nicht, wohin mit ihren Gefühlen. Eigentlich sollte die 20-jährige Japanerin vor Glück lachen, weinen oder wild umherspringen, immerhin hatte sie bei den US Open in New York den ersten Grand-Slam-Titel für ihr Land gewonnen. Stattdessen fühlte sie sich genötigt, sich bei Williams zu entschuldigen. "Es tut mir leid, dass es so enden musste", sagte sie mit leiser Stimme und hauchte der furchteinflößenden Amerikanerin ein "Danke" entgegen.

Kindliche Freude bei Osaka

Einige Stunden nach ihrem denkwürdigen 6:2, 6:4 versuchte Osaka zu erklären, was ihr durch den Kopf gegangen war, als sie den Pokal hielt. "Ich weiß, sie wollte unbedingt diesen 24. Grand-Slam-Titel. Jeder weiß es", sagte sie, und Tränen schossen ihr in die Augen: "Als ich auf den Platz gekommen bin, war ich kein Serena-Fan. Ich war nur eine Spielerin, die gegen eine andere Spielerin antritt. Aber als ich sie am Netz umarmt habe, habe ich mich wieder wie ein kleines Kind gefühlt."

Es ist wichtig zu wissen, wie sehr Osaka von klein auf zur großen Serena Williams aufblickte, um zu begreifen, was die selbsternannte "größte Athletin aller Zeiten" an diesem Abend in Flushing Meadows angerichtet hat. Ihre Auseinandersetzung mit Schiedsrichter Carlos Ramos, die Drohungen und Wutanfälle hinterließen einen bleibenden Eindruck.

17.000 Dollar Strafe

Auch in ihrer Geldbörse. Der Veranstalter gab am Sonntagabend bekannt, dass Williams nach ihren Ausrastern Geldstrafen in Höhe von insgesamt 17.000 US-Dollar zahlen müsse.

Williams erhielt drei Verwarnungen – die erste wegen Coachings von der Tribüne kostet sie 4.000 Dollar, die zweite wegen des Zertrümmerns eines Schlägers 3.000, was einen Punktverlust zur Folge hatte. Am teuersten war ihre Entgleisung vor Stuhlschiedsrichter Carlos Ramos, der einen kampflosen Game-Verlust im zweiten Satz verhängte. Williams muss wegen einer "verbalen Beleidigung" von Ramos 10.000 Dollar zahlen.

Keine Notwendigkeit

Dabei hätte Osaka die drei Verwarnungen ihrer Konkurrentin gar nicht gebraucht, um zu gewinnen. In einem überwiegend hochklassigen Finale war sie die bessere der zwei eindeutig besten Spielerinnen des Turniers. Sie dominierte den ersten Satz und kam auch zurück, als Williams im zweiten mit 3:1 in Führung gegangen war.

Das war zu viel für die um 16 Jahre ältere US-Amerikanerin. Wutentbrannt zerhackte sie ihren Schläger. Nach dem Punktabzug dafür bezeichnete sie Ramos als "Dieb" und "Lügner". Dem Portugiesen blieb keine andere Wahl, als Williams mit einer Spielstrafe zu belegen. Das Drama nahm seinen Lauf.

Sexismusvorwürfe

Williams kam nicht einmal auf die Idee, sich für ihren unwürdigen Auftritt bei irgendwem zu entschuldigen. Sie machte Ramos Sexismusvorwürfe: "Ich habe andere Männer gesehen, die andere Dinge zu anderen Schiedsrichtern gesagt haben", erklärte Williams auf ihrer Pressekonferenz:

"Ich bin hier, um für Frauenrechte, Gleichberechtigung und all das zu kämpfen. Ich habe ihn als Dieb bezeichnet, weil er mir ein Spiel weggenommen hat, das fühlt sich für mich sexistisch an. Einem Mann hätte er dafür nie ein Spiel weggenommen."

Viele Journalisten applaudierten Williams für ihre Rede. "Das, was ich erdulden muss, ist ein Beispiel für die nächste Person, die ihre Emotionen ausdrücken will, um eine starke Frau zu sein", sagte Williams: "Nach heute werden sie es dürfen. Vielleicht hat es nicht für mich funktioniert, aber es wird für die nächste funktionieren."

Prominente Fürsprecher

Auch Tennis-Idol Billie Jean King sieht unterschiedliche Maßstäbe für Herren und Damen bei der Bestrafung. Die Vorkämpferin für Gleichberechtigung im Tennis stimmte damit Verliererin Serena Williams zu.

King dankte ihr bei Twitter dafür, dass sie am Samstag die unterschiedlichen Standards angesprochen habe. Wenn eine Frau emotional werde, sei sie "hysterisch" und erhalte eine Strafe. Ein Mann sei dagegen "offenherzig", dies habe keine Folgen, schrieb die 74-jährige Amerikanerin nach dem Endspiel aus New York.

Regeländerung gefordert

Sie sprach sich wie viele andere dafür aus, Coaching nicht mehr zu verbieten. Williams hatte die erste Verwarnung bekommen, weil ihr Coach Patrick Mouratoglou auf der Tribüne Zeichen gemacht hatte, die sein Schützling aber wohl nicht sah. Auch Ex-Tennis-Größe Chris Evert verlangte eine Regeländerung. Die Verwarnung sei aber regelkonform gewesen. "Wäre es ein Herren-Match gewesen, wäre das alles so nicht passiert", meinte die zweifache weißrussische US-Open-Finalistin Viktoria Asarenka.

Der US-Verband erklärte, Mouratglou habe Coaching zugegeben, Williams habe aber klar gemacht, dass sie keines erhalten habe. Die Entscheidungen von Ramos könnten nicht noch einmal überprüft werden und seien endgültig. (sid, APA, red, 9.9.2018)

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