Nordkorea feierte am Wochenende 70-jähriges Bestehen und sparte nicht mit Soldaten, Panzern und jubelnden Massen. Interkontinentalraketen und aggressive Seitenhiebe auf den Erzfeind USA fehlten allerdings.

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Pjöngjang/Seoul – Für das nordkoreanische Regime war es eine höchst ungewöhnliche Geburtstagsfeier: Zwar marschierten am Sonntag anlässlich der Staatsgründung vor 70 Jahren erneut tausende Soldaten im Gleichschritt auf, rollten vereinzelt Panzer mit martialischen Slogans gegen "US-Imperialisten" durch Pjöngjangs Zentrum und winkte Kim Jong-un von seiner Tribüne zu den zehntausenden jubelnden Menschen. Doch die einzige Rakete bei der Parade war auf ein Plakat gezeichnet, begleitet von Kindern mit Sonnenblumenschildern.

Dies markiert einen Paradigmenwechsel Nordkoreas, das bisher stets seine öffentlichen Festivitäten dazu nutzte, im Scheinwerferlicht der Weltpresse militärische Stärke zu demonstrieren. Die Interkontinentalraketen gehörten zum festen Arsenal der Militärparaden, etwa im Februar.

Materielles Wohlergehen

Am Sonntag jedoch dominierten Botschaften zur Errichtung der Volkswirtschaft. In einer Rede an die 50.000 Zuschauer sprach Kim Yong-nam, Vorsitzender der Obersten Volksversammlung, von einer baldigen "Ära großen Wohlstands". Aggressive Seitenhiebe auf die USA blieben – im Gegensatz zu früheren Paraden – aus.

Diesen Kurswechsel hatte Machthaber Kim bereits in mehreren Grundsatzreden angedeutet: den Fokus weg von seiner militärzentrierten Politik auf das materielle Wohlergehen seiner Bevölkerung zu richten.

Verbündeter China

An Kims Seite stand am Sonntag Li Zhanshu, drittmächtigster Parteikader Pekings: eine besänftigende Botschaft an China, das sich zuletzt im Rahmen der Annäherung zwischen USA und Nordkorea um seinen Einfluss sorgte.

Experten sind sich einig, dass Pjöngjang vor allem darum bemüht ist, derzeit sämtliche Provokationen gegen Washington zu vermeiden. Nach einem rasanten Annäherungsprozess in der ersten Jahreshälfte, der in einem öffentlichkeitswirksamen, jedoch substanzlosen Treffen zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump gipfelte, stockt der Denuklearisierungsprozess jetzt.

Dementsprechend hoch sind die Erwartungen im Hinblick auf das dritte innerkoreanische Gipfeltreffen in diesem Jahr, das am 18. September beginnt. Vergangene Woche brachte die südkoreanische Delegation aus Vorverhandlungen in Pjöngjang eine erfreuliche Botschaft mit, die jedoch mit Skepsis zu betrachten ist: Kim habe versprochen, die atomare Abrüstung bis 2021 abschließen zu wollen. (Fabian Kretschmer, 9.9.2018)