New Brunswick – Lange Zeit stellten diese Strukturen an manchen Stellen der Mondoberfläche ein ungelöstes Mysterium dar: Seltsame Wirbeln und Schleifen, die sich hell von den umgebenden, wesentlich dunkleren Regionen abhoben. Eine vor drei Jahren veröffentlichte Studie brachte die Formationen mit Kometeneinschlägen in Verbindung. Geophysiker hatten aus Computermodellen geschlossen, dass der Impakt der Eisbrocken loses Material der obersten Monddecke aufgewirbelt und dabei tiefer liegende Schichten freigelegt hat, die als hellere Flächen sichtbar wurden.

Der größte und bekannte Mondwirbel Reiner Gamma im Oceanus Procellarum, aufgenommen von der Nasa-Sonde Clementine.
Foto: Nasa

Doch so ganz passt diese Theorie nicht zu den Beobachtungen. Zunächst folgen diese von den Forschern als "Swirls" bezeichneten Phänomene keinen sichtbaren geologischen Formationen. Außerdem – und dies widerspricht der Impakt-These ganz besonders – zeigen die größten Wirbel keine an der passenden Position liegenden Einschlagsenken. Vor allem beim bekanntesten Mond-Swirl mit der Bezeichnung Reiner Gamma im Oceanus Procellarum, einer Struktur von etwa 70 Kilometern Länge, existieren keine Hinweise auf zeitlich passende große Kometeneinschläge.

Magnetfelder als Schutz vor dem Sonnenwind

Also ging das Rätselraten weiter – bis nun Wissenschafter um Sonia Tikoo von der Rutgers University und Douglas J. Hemingway von der University of California in Berkeley die Wirbel mit magnetischen Feldern in Zusammenhang brachten, die schon früher im unmittelbaren Umfeld der Strukturen gemessen worden waren. Die Idee dahinter: Die Magnetfelder könnten verhindert haben, dass der Sonnenwind die Mondoberfläche an den entsprechenden Stellen abträgt, was zu helleren Strukturen führt.

Doch eigentlich hat der Erdtrabant sein globales Magnetfeld schon vor Jahrmilliarden verloren, wenn auch nicht ganz so früh, wie ursprünglich gedacht. Was also ruft diese regionalen magnetischen Felder hervor?

Ein weiteres Bild von Reiner Gamma, aufgenommen vom Lunar Reconnaissance Orbiter der Nasa.
Foto: NASA/Lunar Reconnaissance Orbiter

"Um diese Frage zu beantworten, mussten wir herausfinden, welche geologischen Merkmale solche Magnetfelder erzeugen und warum diese besonders stark sind," sagt Tikoo. Anhand von geophysikalischen Modellen auf Grundlage der Wirbelformen und der messbaren Magnetfeldstärken ist das den Forschern nun möglicherweise gelungen. Sie konnten entdecken, dass die verwirbelten Strukturen magnetischen Objekten folgten, die knapp unter der Mondoberfläche verlaufen.

Spezielle Reaktionen ohne Sauerstoff

Die Wissenschafter gehen davon aus, dass es sich dabei um Lavaröhren handelt, die in der Frühzeit des Mondes von flüssigem Gestein aus vulkanischen Ausbrüchen gefüllt waren. Diese Gesteinsschmelze war laut der im "Journal of Geophysical Research" vorgestellten Studie während der Erstarrung vor etwa einer Milliarde Jahren vom damals noch vorhandenen globalen Magnetfeld des Mondes magnetisiert worden – eine Reaktion, die man von der Erde in dieser speziellen Form nicht kennt. Frühere Experimente untermauern diese These, wonach Mondgestein bei Erkalten stark magnetisiert werden kann, wenn es zuvor in einer sauerstofflosen Umgebung auf über 600 Grad Celsius erhitzt worden war.

Viele Mondwirbel – im Bild eine Gruppe davon im Mare Marginis – befindet sich auf der erdabgewandten Seites des Mondes.
Foto: NASA/Lunar Reconnaissance Orbiter

Das fehlende Puzzleteilchen?

Die Untersuchungen hatten gezeigt, dass dabei eisenhaltige Minerale im Gestein zerfallen und metallisches Eisen freisetzen. Wenn diese Vorgänge in einem Magnetfeld stattfinden, wird das neuentstehende Eisen dauerhaft magnetisiert. "Bisher hatte noch niemand diese Reaktion als Erklärung für die magnetischen Merkmale auf dem Mond in Betracht gezogen, obwohl es sich wahrscheinlich um das fehlende Puzzleteilchen dieses Rätsels handelt", sagt Tikoo.

Freilich ist das Mysterium um die Mondwirbel damit nicht endgültig gelöst. Um diese Theorie tatsächlich zu belegen, bräuchte es Bodenuntersuchungen vor Ort. Die Wissenschafter erhoffen sich daher entsprechende Messungen von einer zukünftigen Mission, für die sie bereits eine Kommission gegründet haben. (tberg, 10.9.2018)