Architekt Erich Strolz: "Das ist kein Schwarz, das ist eine dunkle Farbe, die je nach Tageszeit und je nach Wetter von Rot und Braun bis Aubergine schimmert."

Foto: Larl

"Schwarzes Monster", "Stein des Anstoßes" und "Kaba von Innsbruck" sind nur einige der Spitznamen, die das Haus schon heute, wenige Wochen vor der Eröffnung von den lokalen Medien und politischen Fraktionen abbekommen hat.

Es ist eine österreichische Spezialität, Großprojekte – und hier vornehmlich jene aus dem Kulturbereich – durch den wirtschaftlichen und vor allem auch architektonischen Fleischwolf zu drehen, doch im Falle des seit zwölf Jahren diskutierten Hauses der Musik fällt die im Stadtblatt, in der Tiroler Tageszeitung und vor allem in den Reihen der FPÖ geführte Diskussion bisweilen besonders unsachlich aus.

Die Arbeiten im Haus der Musik laufen auf Hochtouren.
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"Das wird wieder ein Millionen-Euro-Grab", sagt der blaue Stadtparteiobmann Rudi Federspiel und bezeichnet die bis Mai 2018 amtierende Bürgermeisterin und nunmehrige Vizechefin Christine Oppitz-Plörer (ÖVP) als "Schuldenbürgermeisterin und Masseverwalterin der Tiroler Landeshauptstadt", denn sie "zerstört nicht nur baulich die Innenstadt, sondern treibt die Stadt in den Ruin".

Um das Ausmaß der Diskussion zu verstehen, muss man wissen, dass Innsbruck seit Mitte der Neunzigerjahre eine überaus strenge Wettbewerbskultur pflegt und – abhängig von Lage und Projektgröße – auch private Bauherren zur Durchführung von Gestaltungsausschreibungen zwingt.

Internationale Kapazunder

Rund 220 Architekturwettbewerbe wurden seitdem durchgeführt. 98 Prozent davon seien realisiert worden, rechnet der ehemalige Planungsstadtrat und nunmehrige Gemeinderat Gerhard Fritz (Grüne) vor. "Das ist eine Zahl, die finden Sie nirgendwo sonst in Österreich."

Diese über mehr als 20 Jahre eingenommene Haltung hat der Tiroler Landeshauptstadt einige außergewöhnliche Bauten und Platzgestaltungen von sowohl regionalen Architekten als auch internationalen Kapazundern wie etwa Zaha Hadid, Dominique Perrault und David Chipperfield beschert.

"Das Niveau der Architektur und der Architekturdiskussion in Innsbruck hat sich seit den Neunzigerjahren konsequent gesteigert und ist heute vorbildlich", sagt Arno Ritter, Leiter des Ausstellungs- und Vermittlungshauses Architektur und Tirol.

Dieser Kultur füge sich auch der 2014 entschiedene, zweistufige Wettbewerb um den Neubau des Hauses der Musik, an dem sich 126 Architekten aus ganz Europa beteiligt haben und der von einer hochkarätigen Jury beurteilt wurde. Der Sieg ging an den Innsbrucker Architekten Erich Strolz, der das Projekt in Zusammenarbeit mit dem Vorarlberger Büro Dietrich Untertrifaller realisierte.

Zu viel Raum, zu wenig Platz

"Die in den Fünfzigerjahren an dieser Stelle errichteten Stadtsäle waren für unseren Betrieb einfach nicht mehr brauchbar", blickt Johannes Reitmeier, Intendant des Tiroler Landestheaters, zurück.

"Die Anlage war längst zu klein, es gab akustische Probleme, kaputte Lüftungsanlagen, regelmäßige Wasserschäden und sogar so starke Schimmelbefälle, dass wir zuletzt einige Vorstellungen absagen mussten, um unsere Künstlerinnen und Künstler nicht unnötig gesundheitlichen Problemen auszusetzen. Ein Neubau war dringend nötig. Daher verstehe ich nicht, dass einige Leute seit Jahren die Notwendigkeit dieses Gebäudes und die dafür aufzubringenden Kosten infrage stellen."

Das Haus der Musik ist Nachbar des Landestheaters.

Im Gegensatz zu den Stadtsälen, die die Kammerspiele sowie einen Probenraum für die Symphoniker beherbergten, handelt es sich beim neuen Haus der Musik um einen multifunktionalen Hybrid, in dem ein knappes Dutzend Institutionen Einzug gehalten hat, die bislang über die ganze Stadt verteilt waren.

Darunter etwa die Festwochen der Alten Musik, das Mozarteum, das Institut für Musikwissenschaft der Universität Innsbruck, das Landeskonservatorium mit einer eigenen Jazzabteilung sowie etliche Vereinsverbände für Gesang, Blasmusik und Volksmusik. Hinzu kommen vier Kammer- und Konzertsäle mit 512, 208, 110 und 60 Zuschauerplätzen.

Investition in die Kunst

Während manchen Experten die Funktionsbündelung viel zu dicht erscheint ("zu großes Raumprogramm auf zu wenig Platz", Arno Ritter), wird hausintern gerade diese Dichte geschätzt. "Bislang war Innsbruck als Musikstadt kaum wahrnehmbar", meint Wolfgang Laubichler, Direktor des Hauses der Musik.

"Mit der Zusammenführung und Verdichtung an einem Ort wird diese Qualität nun endlich sichtbar. Die vielen Institutionen sorgen erstens für Synergieeffekte und zwingen die Nutzerinnen zweitens zur Kommunikation. Davon wird dieses Haus profitieren."

Musik sei ein Kulturgut und ein österreichischer Exportschlager, so Wolfgang Laubichler. In Salzburg etwa habe man das verstanden, in Innsbruck jedoch werde man dafür zur Rechenschaft gezogen.

Die allgemeine Kritik gilt nicht zuletzt den Kosten und der dunklen Farbe. Wurden die Baukosten zu Beginn noch mit 55 bis 58 Millionen Euro beziffert, so liegen sie aktuell bei 62,7 Millionen Euro, das ist eine Kostenüberschreitung von rund zehn Prozent. Die endgültige Abrechnung wird frühestens Ende 2018 vorliegen, sagt Georg Preyer, Projektleiter in der Innsbrucker Immobilien GmbH (IIG), die das Haus errichtete und nun an die Nutzer vermietet. Dies sei eine gute Investition in die Kultur.

Schimmernde Fassade

Und dann das Schwarz. "Das ist kein Schwarz, das ist eine dunkle Farbe, die je nach Tageszeit und je nach Wetter von Rot und Braun bis Aubergine schimmert", erklärt Architekt Erich Strolz, der diese Entscheidung gemeinsam mit dem Innsbrucker Gestaltungsbeirat gefällt und gegenüber den Ortsbild- und Denkmalschützern verteidigt hat.

"Wir haben uns bewusst für eine hochwertige Fassade entschieden, die sich hinter den Bäumen zurücknimmt und die die Farben und Lichtstimmungen der Umgebung reflektiert."

Ein Blick ins Stiegenhaus.
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Konkret handelt es sich dabei um teils fixe, teils bewegliche Keramiklamellen, die eigens für dieses Projekt entwickelt und produziert wurden. "Doch ich respektiere, dass die Fassade nicht jedem gefällt, denn Architektur ist und bleibt Geschmackssache", so Strolz.

Kein heller Kompromiss

Dass das Haus der Musik kein weißer oder heller Kompromiss geworden ist, wie dies in Österreich gang und gäbe ist (Museum der Moderne in Salzburg, Musiktheater in Linz, wo sich laut internen Quellen und entgegen allen Expertenmeinungen letztendlich der damalige Landeshauptmann Josef Pühringer mit seinem Wunsch nach hellem Travertin durchsetzte), ist auf jeden Fall als Erfolg architektonischer und städtebaulicher Kompetenz zu verbuchen.

Architektur darf und soll polarisieren und zu Diskussionen anregen. Und so ist das Haus der Musik vor allem für jene ein "Stein des Anstoßes" (Tiroler Tageszeitung), die Freunde österreichischen Mittelmaßes sind. Die Eröffnung findet am 6. Oktober statt. (Wojciech Czaja, 11.9.2018)