Innsbruck – Nur ein Infekt konnte ihn stoppen. Wäre Martin Maes am vergangenen Sonntagmorgen nicht halbtot aufgewacht, hätte die Downhill-Elite wohl ihr Waterloo im schweizerischen Lenzerheide erlebt. Beim Weltcup-Finale in La Bresse vor zwei Wochen hatte der Belgier Maes, der eigentlich in der Enduro World Series (EWS) startet und dort aktuell auf dem zweiten Gesamtrang liegt, der Downhill-Welt die erste Watsche verpasst.

Der Retter der Downhiller: Loïc Bruni auf dem Weg zum dritten WM-Titel.
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Nachdem er kurz zuvor den EWS-Stopp im kanadischen Whistler gewonnen hatte, entschied sich Maes, die Rennpause für ein Wochenende am Downhill-Ross zu nutzen. Und dabei fuhr er der versammelten Doppelbrücken-Elite sprichwörtlich um die Ohren. Der schnelle Belgier, der das Downhill-Handwerk im britischen Atherton-Rennstall gelernt hat, dominierte die Regenschlacht und gewann ausgerechnet vor seinem einstigen Mentor Gee Atherton.

Franzosen vs. Enduro

Der alte Haudegen streute Maes Rosen und zollte ihm Respekt. Weniger magnifique fanden das allerdings die Franzosen. Denn im Lande eines Nicolas Vouilloz und einer Anne-Caroline Chausson hält man wenig bis gar nichts von der neuen Enduro-Mode. Hatten die Frenchies doch die gesamte Saison 2018 dominiert und mit Amaury Pierron den Gesamtweltcup-Sieger und zugleich einen neuen Downhill-Superstar hervorgebracht. Darüber hinaus gewannen Loris Vergier und Loïc Bruni je ein Rennen 2018.

God save the queen. Rachel Atherton tut, was sie am besten kann. Gewinnen!
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Dass ausgerechnet beim Heimrennen ein belgischer Enduristi den jungen wilden Franzosen die Show gestohlen hat, war eine doppelte Schmach. Daher waren sie bei der Weltmeisterschaft am Sonntag auf Revanche aus. Und letztlich gelang ihnen die auch. Super-Bruni holte die Kohlen aus dem Feuer und raste mit einem entfesselten Lauf zu seinem dritten WM-Gold.

Zuvor hatte Maes den Hotseat gefühlte Stunden belegt. Blass und gezeichnet schaffte es der angeschlagene Belgier trotzdem, die zweitschnellste Zeit in den Berg zu fräsen. Da konnten selbst Größen wie Aaron Gwin und Greg Minaar nur anerkennend den Helm ziehen. Vergier hätte seinem Landsmann beinah noch die Show gestohlen, doch er verspielte seinen zwischenzeitlichen Vorsprung im unteren Teil. Pierron, der als Letzter startete, wurde vom ruppigen Kurs abgeworfen und nahm eine unsanfte Bodenprobe.

Super-Bruni als Retter in der Not

Am Ende schlugen dann doch noch alle, Bruni sei Dank, versöhnliche Töne an. Der neue alte Weltmeister hatte auf der Kettenstrebe seines güldenen Downhill-Rosses gar eine Referenz an den schwer erkrankten Enduro-Stallkollegen Jared Graves angebracht. Die Ordnung in der Downhill-Welt schien wiederhergestellt. Bleibt nur zu hoffen, dass Maes seiner Singlecrown treu bleibt und nicht weiter im Doppelbrückenlager wildert. Doch für ihn ist Enduro ohnehin das "echte Mountainbiken", wie er nach dem Rennen feststellte.

Am Ende hatten sich alle wieder lieb.
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Zur Ehrenrettung der Downhiller muss gesagt werden, dass mit Sam Hill einer der ihren seit zwei Jahren die EWS dominiert. Gerüchten zufolge liebäugelt der australische Altmeister sogar mit einer Rückkehr in den Downhill-Zirkus. Die Fans, wie den Autor dieser Zeilen, würde dies überglücklich machen. Allein um der Clickpedal-Fraktion etwas zu entgegnen.

Der Vollständigkeit halber sei hier noch auf Valentina Höll verwiesen, die ihrer perfekten Saison in Lenzerheide das Sahnehäubchen aufsetzte und zum erwarteten WM-Titel raste. Bei den Elite-Damen krönte sich Rachel Atherton zum bereits fünften Mal zur Königin des Runterfahrens – direkt vor ihrer Landsfrau Tahnee Seagrave. Auf die Britinnen ist eben Verlass. Und auch bei den Elite-Herren sorgten Andreas Kolb als 31. und David Trummer auf dem 40. Platz für einen respektablen Saisonabschluss.

Was denken Sie?

Was denkt die Tretlager-Community bezüglich des Downhill-vs.-Enduro-Themas? Ist Enduro tatsächlich das "echtere Mountainbiken"? Wird die Doppelbrücke aussterben? Haben Sie noch einen Downhiller in der Garage stehen, oder fahren sie auch nur mehr Single Crown?(Steffen Arora, 11.9.2018)