Neben Kopfschmerzen leiden Patienten mit Aura an Sehstörungen, Taubheit und Sprachstörungen.

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Was genau im Gehirn dabei vorgeht, wissen auch Experten nicht so genau. Sicher ist: Migräne ist eine Fehlfunktion des Gehirns, die die Lebensqualität der Betroffenen stark reduziert. Das Problem sei, so Eugen Trinka, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie, dass viele glauben, Kopfschmerzen könne man selbst behandelt. Die Erkrankung werde in Österreich häufig banalisiert, ignoriert oder falsch behandelt.

Hunger, Stress oder Schlafmangel – eine Migräneattacke kann viele Ursachen haben, kommt mitunter auch wie aus dem Nichts. Weltweit leiden 1,5 Milliarden Menschen an Kopfschmerzen, eine weitere Milliarde an Migräne. In Österreich sind 13 Prozent der Bevölkerung von Migräne betroffen – 18 Prozent der Frauen und acht Prozent der Männer.

Untersuchungen in Kopfschmerzzentren haben ergeben, dass drei Viertel aller Patienten in Österreich Frauen sind. Migräne tritt in jedem Alter, mitunter schon ab dem zweiten Lebensjahr, auf. Ab dem Einsetzen der Regelblutung sind Frauen dreimal häufiger betroffen. Die Zahl bleibt hoch, bis sie mit dem Beginn der Menopause wieder zurückgeht.

Höheres Schlaganfallrisiko

Zum Leidwesen der Betroffenen. Nur die Hälfte der Patienten hat in Österreich jemals prophylaktische Migränemedikamente erhalten. Gut wirksame Arzneimittel für die Akutphase, sogenannte Triptane-Medikamente, nehmen auch nur sechs Prozent der Betroffenen, so der Experte. Er fordert entsprechende Strukturen und Netzwerke zwischen Hausärzten, Ambulanzen und niedergelassenen Neurologen. Trinka sagt: "Wer unter Migräne leidet, sollte sich in Zentren und von Spezialisten behandeln lassen."

Dies auch, weil Migränepatienten ein doppelt so hohes Risiko für Schlaganfälle haben, wie Nenad Mitrovic, Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Schmerz in der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie, erklärt. Bei Rauchern oder Patientinnen, die hormonell verhüten, erhöht sich das Risiko sogar um auf das Sieben- bis Neunfache.

ORF-Beitrag zum Thema.
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Zudem sind die Symptome einer Migräne mit Aura jenen eines Schlaganfalls sehr ähnlich. Diese Aura zeichnet sich dadurch aus, dass die Patienten zunächst unter Sehstörungen leiden, dann Taubheit und Sprachstörungen hinzukommen. Der Unterschied zum Schlaganfall: Aura-Symptome entwickeln sich langsam, beim Schlaganfall treten sie plötzlich auf. Und: Bei der Migräne sind die Anzeichen nach 60 Minuten wieder verschwunden.

Vorbeugend behandeln

Bei 40 Prozent aller Migränepatienten – sie haben mindestens drei Attacken pro Monat – ist es sinnvoll, vorsorglich Medikamente zu verabreichen. Sie können die Häufigkeit der Attacken reduzieren. Bisher waren hierbei etwa Antidepressiva oder Mittel gegen Bluthochdruck bekannt und auch in Verwendung, deren zusätzliche Wirkung gegen Migräne zufällig entdeckt wurde.

Neu ist das Medikament Aimovig, ein monoklonaler Antikörper, der einmal pro Monat unter die Haut injiziert wird und die Eiweißsubstanz CGRP im Gehirn blockiert. "Damit wird die Schmerzsteuerung im Gehirn blockiert", erklärt Gregor Brössner, Präsident der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft. In Studien konnte durch diese Medikation bei der Hälfte der Patienten die Häufigkeit von Migräneattacken halbiert werden. Bei einzelnen Patienten sind die Migräneanfälle sogar komplett verschwunden.

Eine prophylaktische Behandlung empfiehlt Mitrovic auch, um die Anzahl der Schlaganfälle zu reduzieren. In Studien ist außerdem die vorbeugende Wirkung von Ausdauersport, bestimmten Entspannungstechniken und einem regelmäßigen Biorhythmus belegt.

Hilfe im Akutfall

Und wenn es doch zur Attacke kommt: Auf Triptane-Präparate, die in der akuten Migränephase eingenommen und ausschließlich bei Migräne verwenden werden, sprechen zwei Drittel der Patienten gut an. "Werden diese aber zu häufig eingenommen, an zehn oder mehr Tagen pro Monat, können sie die Kopfschmerzen zusätzlich verstärken", erklärt Brössner.

Wie wichtig die Behandlung von Migräne und Kopfschmerzen ist, erklärt Trinka: "Bei Berufstätigen ist Migräne die häufigste neurologische Erkrankung, sie verursacht viele Krankenstandstage." Er ist sich daher sicher: Am teuersten für das System ist ein schlecht behandelter Patient.

Der 12. September ist der Europäische Migräne- und Kopfschmerztag. (Bernadette Redl, 12.9.2018)